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Leben in Luxor Autorenforum: Gustav Klimt in Luxor
von Claudia Ali, 01.06.23
Seit Langem will ich über den Künstler, über dessen Leben und Werk ich viele Jahre in Deutschland und Österreich geforscht habe, schreiben, denn er hat zwei Gemälde mit dem Titel "Ägypten" gemalt: Gustav Klimt. Allein - mir fehlte der Bezug zu Luxor. Wie begeistert war ich, als ich erfuhr, dass der Künstler Nageh Alashry als Vorlage für sein neues Mural an der Außenwand von Nūn Art Gallery und Wannas Art Café Gustav Klimts Werk "Ägypten I" gewählt hatte! Nagehs Mural, das innerhalb von vier Tagen entstand, ist eine einzigartige Fusion von diesem Frühwerk Klimts, einer Hommage an das alte Ägypten, und zeitgenössischer ägyptischer Kunst.
Nekhbet Mural von Nageh Alashry, kreiert im April 2023 in Luxor, Westbank
1890 erteilte das Kunsthistorische Museum in Wien (KHM) dem Maler Gustav Klimt (14.07.1862 - 06.02.1918) und vier anderen Wiener Künstlern den Auftrag, das Stiegenhaus des Museums malerisch mit Zwickel- und Interkolumnienbildern auszugestalten, genauer gesagt vierzig freie Wandflächen zwischen den von Doppelsäulen unterbrochenen Arkaden mit Gemälden auszustatten. Thema: Stilepochen der Kunst vom Alten Ägypten bis zum 18. Jahrhundert in Form von Allegorien. Der damals achtundzwanzigjährige Klimt gestaltete dreizehn 2,30 Meter hohe Zwickelbilder. Sie entstanden im Atelier der Malercompagnie, die aus Gustav Klimt, seinem jüngerem Bruder Ernst Klimt und Franz Matsch bestand, sind in Öl auf Leinwand gemalt und wurden im April 1891, sechs Monate vor der Eröffnung des Museums, in 12 Metern Höhe an dessen Wand verklebt. Dieser großartige Zyklus ist bis heute perfekt im Originalzustand erhalten, er wurde nie konserviert oder restauriert.
Während die Beiträge seiner Künstlerkollegen noch streng historistisch waren, wandte sich Klimt in seinen Ölgemälden bereits dem Jugendstil zu. Zwei an der Nordwand tragen die Titel "Ägyptische Kunst I" und "Ägyptische Kunst II". Um diese beiden soll es hier gehen.
Kunsthistorisches Museum Wien - Ägyptische Kunst I: Nechbet • Ägyptische Kunst II: Isis
Wie aus Gustav Klimts Schriftwechsel mit seiner langjährigen Freundin Emilie Flöge hervorgeht, reiste er nicht gern, er war also nie in Ägypten. Als Vorlage für seine beiden Ägypten-Werke dienten ausschließlich Fotos/Faksimiles von altägyptischen Kunstwerken, nicht aber die Bestände der ägyptologischen Abteilung des Kunsthistorischen Museums (KHM) selbst, da die durch den bevorstehenden Umzug vom Unteren Belvedere ins KHM nicht zugänglich waren. Erst 2009 konnte durch die Zusammenarbeit von Ägyptologen und Kunsthistorikern mit Gewissheit festgestellt werden, welche archäologischen und kunstgeschichtlichen Publikationen des späten 19. Jahrhunderts Klimt als Inspiration für die einzelnen Elemente seiner Ägypten-Werke genutzt hatte. Er kopierte die Abbildungen, modifizierte sie und stellte sie in neue Zusammenhänge. Wie Nageh Alashry für sein neues Mural eine Synthese aus ägyptischer Straßenkunst und westlicher Jugendstilmalerei geschaffen hat, verschmolz Klimt Jugendstilmalerei mit altägyptischer Kunst. Und auch wenn Klimt erst Leinwände bemalte und sie anschließend an der Wand des KHM montierte, sind es im Ergebnis doch auch Murals.
Ägyptische Kunst I (Ägypten I) - Nechbet
Das Zwickelbild Ägypten I symbolisiert das alte Ägypten durch eine unbekleidete junge Frau, die wegen der Darstellung der altägyptischen Geiergöttin neben ihr ebenfalls als Nechbet identifiziert wird. Sie steht in einer Grabkammer und schaut den Betrachter direkt an. Sie trägt eine goldgesträhnte Perücke, wie man sie auf altägyptischen Särgen dargestellt findet. Ihr Körper ist reich verziert mit ägyptischen Schmuckstücken, doch seine Kontrapost-Haltung (Standbein und abgewinkeltes Spielbein) ist sehr unägyptisch - Statuen sind im Alten Ägypten eher statisch - und geht vielmehr auf die griechische Bildhauerei zurück. Der leichte Hüftschwung, der dadurch entsteht, vermittelt gleichzeitig Ruhe und Bewegung. Der intensive Blick der Schönen steht im Kontrast zu ihrer anmutig-sinnlich-verspielten Haltung.
Ägyptische Kunst I: Nechbet, Kunsthistorisches Museum Wien
Bis auf die Perücke lässt sich die gesamte Gestaltung der jungen Frau entweder auf Prisse d’Avesnes' Atlas oder auf Auguste Mariettes Bildführer für das Musée de Boulaq in Kairo (heute: Ägyptisches Museum Kairo) zurückführen. Das von ihr in der rechten Hand präsentierte Anch entspricht mit seiner untypischen horizontalen und vertikalen Zweiteilung der Darstellung eines etwas grobgliedrigen Fayence-Anch-Amuletts (A) aus Mariettes Buch, das Klimt in ein elegantes filigranes Objekt verwandelt hat.
Auguste Mariette: Album du Musée de Boulaq, Kairo 1872
Der Gegenstand in der linken Hand der jungen Schönen ist auf demselben Museums-Foto zu erkennen, allerdings zeigt es eigentlich zwei Amulette untereinander. Klimt verschmolz die beiden zu einem einzigen. Das erste Amulett (B) ist eine rechteckige Platte, die rechts und links zwei Udjat-Augen enthält, darunter jeweils eine Neb- und drei Nefer-Hieroglyphen. In der Mitte dazwischen befindet sich die thronende Göttin Mut. Direkt darunter zeigt das Schwarzweiß-Foto ein Djed-Pfeiler-Amulett (C), das Klimt etwas verlängerte und zum Griff für die Platte erklärte, so dass die gesamte Komposition bei ihm wie ein Sistrum wirkt.
Nechbet trägt einen prachtvollen Schmuckhalskragen (Wesech), er diente im Alten Ägypten als Schutz vor dem Bösen. Das konkrete Vorbild zu identifizieren, ist schwierig, da es sehr viele ähnliche Darstellungen auf altägyptischen Stelen, Reliefs, Statuen und Särgen gibt. Auch bei Mariette findet man einen solchen Kragen (D). Er mag als Vorlage gedient haben, auch wenn Klimt ihn verschmälern musste, da er sonst nicht an einen Hals gepasst hätte.
Auguste Mariette: Album du Musée de Boulaq, Kairo 1872
Am Wesech-Kragen ist mittig zwischen Nechbets Brüsten ein Pektoral befestigt, dessen Einzelheiten schwer zu erkennen sind. In der Vergrößerung zeigt es einen Naos, darin auf türkisem Grund einen Stier, der von zwei Uräusschlangen mit Sonnenscheiben auf dem Kopf, einer geflügelten Sonne und einem Neb-Korb eingerahmt wird, über ihm ein Udjat-Auge - eine für das Alte Ägypten ungewöhnliche Zusammenstellung, doch das Schmuckstück ist in allen Details identisch mit einer Abbildung bei Prisse d’Avesnes (s. Bild rechts).
Der von Nechbet am rechten Handgelenk getragene breite Armreifen ist, wie auch der Fußreifen am rechten Knöchel, aus mehreren einfachen Goldreifen zusammengesetzt. Dafür lässt sich noch schwerer eine bestimmte Vorlage finden. Als gewisse Orientierung mögen zwei Armbänder aus dem thebanischen Grab der Königin Ahhotep I. gedient haben, die bei Mariette abgebildet sind (E), und die Klimt etwas abgewandelt haben könnte. Die sehr typische ägyptische Schließe würde dafür sprechen. Der einfache Armreif am rechten Oberarm weist keine Besonderheiten auf, an Hand derer man ihm eine bestimmte Vorlage zuordnen könnte.
Auguste Mariette: Album du Musée de Boulaq, Kairo 1872
Der am linken Oberarm getragene Armreifen besteht aus einer stilisierten Lotus-Pflanze, die von sitzenden Greifvögeln flankiert wird. Auch er ist detailgetreu dem Atlas von Prisse d’Avesnes entnommen. Allerdings war das Schmuckstück bereits bei Prisse falsch wiedergegeben - das kann man mit Bestimmtheit sagen, da sich das bewusste Schmuckstück heute im Louvre befindet. Die beiden Greifvögel schauen in Wirklichkeit in dieselbe Richtung.
Armreif bei Prisse D'Avesnes und im Louvre, © Christian Décamps, Musée du Louvre, 2002
Der Armreifen am linken Handgelenk von Nechbet ist kaum zu erkennen, da er fast völlig hinter dem Kapitell der benachbarten Stiegenhaussäule verschwindet. Eine sichere Identifizierung ist daher nahezu unmöglich. Dem Armreifen von Klimt sehr nahe kommt jedoch ein Schmuckstück der meroitischen Königin Amanishakheto (1. Jh. v. Chr.), das 1834 in ihrer Grabpyramide in Meroë im heutigen Sudan gefunden und ebenfalls von Prisse d’Avesnes abgebildet wurde. Es befindet sich nun im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst München.
Armband mit Götterbildern in Mumienform, Gold, Glaspaste; 1. Jh. n. Chr.; Meroë, SMAEK Inv.-Nr. Ant. 2495b
An der Wand hinter der jungen Frau breitet die Geiergöttin Nechbet ihre Flügel aus. In ihren Fängen hält sie jeweils einen Schenu-Ring, ein Symbol für Ewigkeit. Sie ist stark stilisiert, ihre Darstellung erinnert sofort an ein altägyptisches Schmuckstück mit goldenen Stegen, die Zellen bilden, in denen Halbedelsteine oder buntes Glas eingelegt sind. Zwar wurde der Großteil an altägyptischem Schmuck erst nach 1890 gefunden wurde, doch hatte der Louvre bereits zu Klimts Zeit einen 13,7 cm großen Anhänger in Gestalt eines Raubvogels mit gespreizten Flügeln und einem Widderkopf in seinem Besitz, der aus dem Serapeum in Saqqara stammte. Offensichtlich bildete das Schmuckstück das Vorbild für den Geier, von dem ein Foto bereits 1857 von Auguste Mariette veröffentlicht worden war. Insbesondere das Gefieder und seine Farben sind dem Anhänger 1:1 nachempfunden:
Auguste Mariette: Le sérapéum de Memphis
Den Geierkopf hingegen entnahm Klimt sicherlich dem Atlas von Prisse d'Avesnes. Dessen Nechbet-Darstellung stammt von Toren im Tempel von Philae, und der Geierkopf ist dem von Klimt sehr, sehr ähnlich.
Émile Prisse D'Avesnes: Atlas of Egyptian Art
Eine ebenfalls sehr ähnliche Darstellung eines Geierkopfes findet sich übrigens auch auf einer etwa 100 Jahre alten Holztür in Esna:
Nechbet-Darstellung an einer Tür in Esna
Die Geierdarstellung wird nach unten durch einen Rundstab begrenzt. An der Wand darunter zeigt Klimt auf einem rotbraunem Hintergrund in zwei übereinanderliegenden Registern Figuren aus verschiedenen Vorlagen. Die Komposition erinnert an Grabmalereien.
Im oberen Register links steht ein weiß gekleideter Mann (1), der als eine Figur aus der Vignette zu Spruch 125 des Totenbuchs des Hunefer, Haushofmeister von Sethos I., aus der 19. Dynastie, identifiziert werden konnte. Der Papyrus befindet sich seit 1852 im British Museum und wurde 1899 erstmals von Ernest A. Wallis Budge im Faksimile veröffentlicht, also zu spät, als dass Klimt ihn gekannt haben könnte. Jedoch zeigte Édouard Naville bereits 1886 in einem Buch eine vereinfachte Strichzeichnung (links), die Klimt als Vorbild genommen haben könnte.
Ernest A. Wallis Budge: Faksimile des Totenbuch des Hunefer, Spruch 125, mit Hunefer ganz links
Die Hieroglyphen rechts von Hunefer (2) haben nichts mit ihm zu tun. Sie nennen in einer Kartusche den Thronnamen von Amenhotep III., Neb-Maat-Re.
Unterhalb von Hunefer kauert eine ebenfalls weiß gekleidete Frau (3). Ihr linker Arm umfasst den im Verhältnis viel größeren Unterschenkel eines Mannes. Viel mehr ist von ihm nicht zu sehen, denn er wird vom Körper der großen Aktfigur verdeckt. Die Szene entstammt dem Grab des Ti, das Mariette 1865 in Saqqara entdeckt hatte. Ti war ein hoher Hofbeamter und lebte während der 5. Dynastie. Einzelne Szenen aus dem Grab wurden schon zu Klimts Zeit bekannt, u.a. durch den vielfach zitierten Atlas von Prisse d’Avesnes. Die von Klimt verwendete Szene zeigt Ti mit seiner zu seinen Füßen sitzenden Frau Neferhetepes.
Émile Prisse D'Avesnes: Atlas of Egyptian Art
Die Figur im oberen Register rechts (4) und die beiden Figuren des unteren Registers (5) stammen von derselben Vorlage: von einem Wandrelief am Barkensanktuar des Philippos III. Arrhidaios im Amun-Tempel von Karnak. Sie wurde in Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien von Richard Lepsius dargestellt und zeigt eine Krönungsszene, welcher der Gott Thot vorausgeht. Die Hieroglyphenzeile hinter Thot im Gemälde entspricht exakt der Vorlage.
Richard Lepsius: Denkmäler
aus Ägypten und Äthiopien, linke Szene
Im unteren Register sind - wieder halb verdeckt - zwei von ursprünglich drei Figuren (5) zu sehen: Der falkenköpfige Gott Montu-Re (rechts) nimmt den zu krönenden Pharao (links) an der Hand, um ihn zum Krönungspavillon zu führen. Klimt ließ den im Original noch weiter links stehenden Gott Atum weg, vergrößerte aber die Distanz zwischen Montu und Pharao so, dass wenigstens ein Teil von letzterem neben dem Bein der großen Aktfigur zu sehen ist.
Die Hieroglyphen über und neben Montu-Re entsprechen dem Originalrelief, die oberhalb des Pharaos jedoch nicht. In Karnak ist hier die Kartusche von Philippos III. Arrhidaios zu sehen, Klimt ersetzte sie - warum auch immer - mit einer Kartusche von Amenhotep. Vielleicht weil er die Kartusche mit dessen Thronnamen schon weiter oben im Bild verwendet hatte?
Richard Lepsius: Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien, rechte Szene
Ägyptische Kunst II (Ägypten II) - Isis
Kunsthistorisches Museum Wien - Ägyptische Kunst I: Nechbet • Ägyptische Kunst II: Isis
Nur eine Säule trennt die Gemälde „Ägyptische Kunst I“ und „Ägyptische Kunst II“ voneinander. Anders als bei Ägypten I ist Klimts Entwurfszeichnung für Ägypten II heute noch erhalten.
Ägyptische Kunst II: Entwurf Klimts, Wien Museum, Inv.-Nr. 96482/12
Das Interkolumnienbild "Ägypten II" zeigt eine Zusammenstellung von Motiven, die zu Zeiten Klimts für die ägyptische Kunst als typisch erachtet wurden. Klimt verwendete fast ausschließlich Mariettes Album als Vorlage für dieses Bild. Mehr noch, nahezu die gesamte Komposition des Bildes stammt von einer einzigen Fotografie aus Mariettes Buch. Diese Fotografie zeigt eine Zusammenstellung von Objekten aus den Beständen des Bulaq-Museums: drei anthropoide Holzsärge, einen kastenförmigen Sarg, zwei Ushebti-Kästen, einen Kanopen-Kasten und eine Stele aus der 25. Dynastie. Das gesamte Sargensemble und wohl auch die Grabbeigaben gehörten einer Frau namens Titenese. Sie stammen laut Mariette aus Deir el-Bahari und wurden wahrscheinlich von ihm während seiner Ausgrabungen im Bereich des Hatschepsut-Tempels zwischen 1858 und 1866 entdeckt.
Auguste Mariette: Album
du Musée de Boulaq, Kairo 1872
Der bei Mariette dargestellte Holzsarg (a) diente als Hauptelement für Klimts Gemälde, das er in vier Ebenen gliederte. Der Sarg wird im Hintergrund überragt von einem Hathor-Kopf. Davor befindet sich ein einfach dekorierter Kasten mit zwei Statuen darauf und vor dieser eine kleinere Kiste mit einer Sitzstatuette von Isis. Der breite rotbraune Bildstreifen, der die gesamte Komposition rechts abschließt, greift die Farbe des Wandhintergrundes von Ägypten I auf und schafft so eine künstlerische Verbindung zwischen den beiden Bildern, was im übrigen auch die Perücken und Schmuckkrägen der beiden Hauptfiguren tun.
Der große Holzsarg (a), der das Bild beherrscht, wurde von Klimt fotogetreu wiedergegeben - samt seiner Dekoration bestehend aus einer Anbetungsszene umgeben von neun Hieroglyphen-Spalten. Auch der Wesech-Kragen und die gesträhnte Perücke entsprechen der Vorlage. Klimt modifizierte nur das Gesicht: Es erhielt weiblichere Züge und eine goldgelbe Färbung.
Die Gestaltung des Hathorkapitells (b) im Hintergrund entstammt zum einen einer Darstellung bei Prisse d’Avesnes (p. 36), wo sie einen Pfeiler im Tempel von Deir el-Medina zeigt, zum anderen der Fotografie eines Naos-Sistrum-Fragments in Mariettes Album (b).
Hathorkapitell bei Prisse und bei Mariette
Den Kanopen-Kasten (c) gab Klimt sehr vereinfacht wieder. Nur die Hohlkehle mit dem Knauf entspricht der Vorlage. Die Dekoration hingegen ließ er bis auf die zarte Inschrift auf der rechten Seite weg. Durch diesen gestalterischen Trick scheint der Kasten nicht mehr aus Holz zu sein wie das Original, sondern aus Stein, etwa Alabaster.
Die Bemalung des Ushebti-Kastens (d) im Vordergrund veränderte Klimt komplett. Sie zeigt bei ihm eine für diese Art von Objekt sehr ungewöhnliche Szene, nämlich die Anbetung des Re-Harachte. Als Vorlage dafür konnte eine Stele (d) für die Priestertochter Djed-Amun-iu(es)-anch aus der 22. Dynastie identifiziert werden, die 1880 in deren Grab in Deir el-Bahari gefunden wurde und in Mariettes Album abgebildet ist.
Auguste Mariette: Album du Musée de Boulaq, Kairo 1872
Klimt verwendete für das Kästchen nur den Mittelteil der Stele und davon auch nur die linke Hälfte; die rechte mit der durchsichtig gewandeten Toten, die vor einem Opfertisch Re-Harachte huldigt, verschwindet hinter der Säule im KHM. Hinter Re-Harachte befindet sich ein Was-Zepter, ein weiteres hält er in der Hand. Die Hieroglypheninschrift über dem Opfertisch enthält den Namen der Toten.
Da Klimts Vorlage ein Schwarz-weiß-Foto war, erfolgte seine Kolorierung nach Gutdünken, ist aber in sich recht gut gelungen - bis hin zu dem grünen Streifen oben, wo das Original die gewölbten grünen Flügel des Horus-Behdety (Horus von Edfu) aufweist. Wie die Stele tatsächlich aussieht, zeigt das Foto aus einem modernen Museumsführer.
Stele der Djed-Amun-iu(es)-anch bei Klimt und im Ägyptischen Museum Kairo, Inv. Nr. RT 25.12.24.20, dort aber fälschlich ihrem Vater Djed-Djehuty-iu-anch zugeschrieben
Kommen wir zu den drei Statuen des Klimt-Gemäldes. Auf dem Kanopen-Kasten (c) befindet sich links halb von der Säule verdeckt eine Sitzstatuette (e). Klimts Vorlage befindet sich in Mariettes Album. Das Foto zeigt u.a. die Granit-Statuette von Cheti. Sie wurde von Mariette 1859 in Abydos ausgegraben und stammt aus der späten 12. oder frühen 13. Dynastie. Klimt scheint den Lichtschein auf dem schwarzen Granit missdeutet zu haben, denn seine Statue ist hell.
Statue von Cheti bei Mariette und bei Evers, Tafel 97B
Neben Cheti steht eine Figur des Gottes Ptah (f), die einer Statuette nachempfunden zu sein scheint. Sie weist jedoch einige ikonographische Besonderheiten auf, die zeigen, dass es sich beim Original um eine große Statue handelte. Da wäre das mit einem Djed-Pfeiler kombinierte Was-Zepter, das Ptah in seinen Händen hält. Dessen verbreiterte Basis und der gerundete Rückenpfeiler entsprechen einer Ptah-Statue aus schwarzem Granit, die das Ägyptische Museum in Turin 1824 als Teil der Sammlung Drovetti kaufte. Sie ist stolze 2,08 Meter hoch, stammt aus Karnak und der Zeit von Amenhotep III. Allerdings konnte bis 2009 keine Abbildung nachgewiesen werden, die 1890, also während der Entstehung von Klimts Gemälde, bereits verfügbar gewesen wäre. Warum Klimt eine große Ptah-Statue verkleinert wiedergab, wo doch in dem von ihm so oft genutzten Album von Mariette fünf kleine abgebildet sind, bleibt im Dunklen. Der Ägyptologie und Kunsthistoriker Ernst Czerny vermutet, dass sich eine einflussreiche Persönlichkeit die Abbildung gerade dieses Stückes gewünscht und eine Vorlage zur Verfügung gestellt haben könnte. Wenn das zutrifft, hätte Klimt sich dessen Wunsch zwar scheinbar gefügt, ihn aber durch die Schrumpfung des Stückes ad absurdum geführt. Was nicht abwegig ist, da Klimt sich ungern Vorschriften machen ließ und das auch zeigte.
Ptah-Statuette bei Klimt und Ptah-Statue im Museo Egizio Torino
Zweifelsfrei ist die letzte Statue auf Klimts "Ägypten II" zu bestimmen. Die thronende Isis (g) stammt aus dem Grab des Psammetich, das Mariette 1863 in Saqqara entdeckt und später in seinem Album veröffentlicht hatte. Selbst der Winkel der Darstellung ist identisch.
Auguste Mariette: Album
du Musée de Boulaq, Kairo 1872
Isis scheint bei Klimt aus demselben Material zu sein wie Ptah, aus schwarzem Granit, tatsächlich wurde sie in der 26. Dynastie aus grau-grüner Grauwacke gemeißelt, was Klimt der Schwarz-Weiß-Vorlage aber nicht entnehmen konnte.
Fazit
Klimt hat mit der Auswahl der von ihm dargestellten Objekte das alte Ägypten sowohl zeitlich als auch räumlich umfassend abgebildet.
Zeitlich
- Altes Reich: Grabrelief des Ti
- Mittleres Reich: Hockerstatue des Cheti
- Neues Reich:
- Statue des Ptah (18. Dynastie)
- Totenbuch des Hunefer (19. Dynastie)
- 3. Zwischenzeit:
- Stele der Djed-Amun-iu(es)-anch (22. Dynastie)
- Sarg der Titenese (25. Dynastie)
- Spätzeit: thronende Isis (26. Dynastie)
- Griechisch-römische Zeit:
- Granitsanktuar aus Karnak
- Hathortempel von Deir el-Medina
Räumlich
- Nord-Ägypten: Mastaba des Ti (Serapeum, Saqqara)
- Südliches Mittelägypten: Hockerstatue des Cheti (Abydos)
- Theben: Granitsanktuar aus Karnak, Hathor-Kapitell aus Deir el-Medina, Stele, Ushebti- und Kanopen-Kasten aus Deir el-Bahari, Ptah-Statue aus Karnak
- Südägypten/Sudan: Schmuck der Königin Amanishakheto
Aug in Aug mit Gustav Klimt - Die Klimt-Brücke im KHM
Am 6. Februar 2018 jährte sich der Todestag von Gustav Klimt zum 100. Mal. Aus diesem Anlass ermöglichte es das Kunsthistorische Museum Wien seinen Besuchern die einzigartigen Gemälde, die über der Eingangshalle in die Säulen- und Arkadenarchitektur des Stiegenhauses eingebettet sind, für mehr als 6 Monate aus nächster Nähe zu bewundern. Dazu wurde - wie bereits 11 Monate lang im Jahr 2012 zu seinem 150. Geburtstag - in über 10 Metern Höhe eine massive, 4 Tonnen schwere Aluminiumbrücke über die gesamte Breite des Stiegenhauses gespannt, die den Aufstieg zu dem prächtigen Bilderzyklus ermöglichte, der all die Jahre seit seinem Entstehen in perfektem Zustand überdauert hat.
Klimtbrücke im Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums Wien (Nordseite) mit den beiden Ägypten-Bildern, © KHM
Schlussbemerkung
Es ist faszinierend zu sehen, wie viele Geheimnisse durch ein Miteinander von Disziplinen entschlüsselt werden können. Und eigenartig, dass viele Objekte, die Klimt aus Büchern kannte und als Vorlagen verwendete, heute nicht mehr in einem Museum nachgewiesen werden können, nicht einmal die Werke, die Mariette im Ägyptischen Museum Kairo fotografieren ließ ...
Quellen
Bücher und Artikel
Ernst Czerny: Gustav Klimt und die Ägyptische Kunst, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, Vol. 63, 2009, H. 3/4, S. 259ff
Auguste Mariette: Le sérapéum de Memphis, Paris 1857
Émile Prisse D'Avesnes - Atlas of Egyptian Art, AUC 2000. Originally published as: Atlas de I'Histoire de I'Art Egyptien, d'apres les monuments, depuis les temps les plus reculés jusqu'a la domination romains, Paris, 1868-1878
Édouard Naville - Das ägyptische Totenbuch der XVIII. bis XX. Dynastie, vol. 1: Texte und Vignetten, 1886
E. A. Wallis Budge: The Book of the Dead. Facsimiles of the Papyri of Hunefer, Anhai, Kerasher and Netchemet, with supplementary text from the Papyrus of Nu with Transcripts, Translations, London 1899, Pl. 4
Richard Lepsius: Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien, 1849-1859
Auguste Mariette: Album du Musée de Boulaq, comprenant quarante planches photographiées par MM. Délié et Béchard avec un texte explicatif rédigé par Auguste Mariette-Bey, Le Caire 1872
Illustrierter Führer zum Ägyptischen Museum Kairo, Vercelli 2001
Hans Gerhard Evers: Staat aus dem Stein I - Denkmäler, Geschichte und Bedeutung der ägyptischen Plastik während des Mittleren Reichs, München 1929
Websites
Website und Presserklärungen des Kunsthistorischen Museums Wien
Blog von Andrea Sinclair: Artistic licence or why I trust no one
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