• von Luxor/Esna nach Assuan |
• ab Assuan oder Abu Simbel |
• paradiesische Lage direkt am Nil |
• unweit vom Nil / Banana Island |
Leben in Luxor - Lexikon der Orientreisenden, Ägyptologen, Abenteurer und Künstler des 19., 20. und 21. Jahrhunderts
von Claudia Ali, 27.04.12, letztes Update: 13.05.24
Dann packte mich das Verlangen, Schiffe mit göttergleichen Gefährten auszurüsten und nach Aigyptos zu fahren [...] . Wir erreichten den herrlichen Strom Aigyptos am fünften Tage und legten in ihm vor Anker die doppelt geschweiften Schiffe. [...] Sieben Jahre verweilte ich dort und sammelte Schätze unter dem Volk der Aigypter. Homer: Odyssee, Berlin 1992, Bd. 2, S. 219f., XIV. Gesang, Vers 246f |
Ich komme nun ausführlicher auf Ägypten zu reden, weil es mehr Wunder enthält als jedes andere Land, und im Vergleich mit jedem andern Land Werke aufweist, die über alle Beschreibung hinausgehen. Herodot: Neun Bücher zur Geschichte, Wiesbaden 2007, S. 160 |
Schon vor Hunderten von Jahren waren Menschen in Europa von Ägypten fasziniert. Sie unternahmen private Reisen und wissenschaftliche Expeditionen, gruben nach Tempeln, Gräbern und Schätzen, dokumentierten Reliefs und Malereien, transportierten die Funde in ihr Heimatland, studierten Hieroglyphen. Einige von ihnen waren gelernte Ägyptologen, andere hatten sich ihr Handwerk selbst beigebracht. Ihre Namen werden Ihnen immer wieder in unseren Beschreibungen von Gräbern und Tempeln begegnen. Hier können Sie mehr über diese Pioniere erfahren, denen wir ein reiches Wissen über das Ägypten des 19. Jahrhunderts zu verdanken haben.
Damit Sie gleichzeitig die Entwicklung der Ägyptologie verfolgen können, sind die Namen chronologisch nach Geburtsjahren geordnet. Sie können aber auch über die alphabetische Liste direkt auf eine Person zugreifen. Die biographischen Einträge enthalten zudem Hinweise auf interessante Primär- und Sekundärliteratur (Online-Faksimile-Ausgaben, PDF-Dateien und Werke, die im Buchhandel erhältlich sind) sowie auf Dokumentarfilme.
ALPHABETISCHE LISTE:
Giovanni Battista Belzoni ( Italiener, 1778–1823)
Joseph Bonomi der Jüngere ( Brite, 1796–1878)
Ludwig Borchardt ( Deutscher, 1863–1938)
Emil Brugsch ( Deutscher, 1842–1930)
Heinrich Brugsch ( Deutscher, 1827–1894)
Bernard Bruyère ( Franzose, 1879–1971)
Jean Louis Burckhardt ( Schweizer, 1784–1817)
Harry Burton ( Brite, 1879–1940)
James Burton ( Brite, 1788–1862)
Frédéric Cailliaud ( Franzose, 1787–1869)
Lord Carnarvon ( Brite, 1866–1923)
Howard Carter ( Brite, 1874–1939)
Jean-François Champollion ( Franzose, 1790–1832)
Georges Daressy ( Franzose, 1864–1938)
Nina de Garis Davies ( Britin, 1881–1965)
Norman de Garis Davies ( Brite, 1865–1941)
Theodore M. Davis ( US-Amerikaner, 1838–1915)
Bernardino Drovetti ( Franzose, 1776–1852)
Johannes Dümichen ( Deutscher, 1833–1894)
Amelia Edwards ( Britin, 1831–1892)
Alan Gardiner ( Brite, 1879–1963)
Francis Llewellyn Griffith ( Brite, 1862–1932)
Robert Hay ( Schotte, 1799–1863)
Edward William Lane ( Brite, 1801–1876)
Georges Legrain ( Franzose, 1865–1917)
Karl Richard Lepsius ( Deutscher, 1810–1884)
Victor Loret ( Franzose 1859–1946)
Auguste Mariette ( Franzose, 1821–1881)
Gaston Maspero ( Franzose, 1846–1916)
Heinrich Menu von Minutoli ( Schweizer, 1772–1846)
Henri Édouard Naville ( Schweizer, 1844–1926)
Flinders Petrie ( Brite, 1853–1942)
Émile Prisse d’Avesnes ( Franzose, 1807–1879)
David Roberts ( Schotte, 1796–1864)
Ippolito Rosellini ( Italiener, 1800–1843)
Henry Salt ( Brite, 1780–1827)
Ernesto Schiaparelli ( Italiener, 1856-1928)
John Gardner Wilkinson ( Brite, 1797–1875)
Herbert E. Winlock ( US-Amerikaner, 1884–1950)
CHRONOLOGISCHE LISTE (nach Geburtsjahr):
Heinrich Menu von Minutoli (12.05.1772 – 16.09.1846)
Johann Heinrich Karl Menu war zunächst preußischer Generalleutnant und Prinzenerzieher, hatte aber ein starkes Interesse an der Altertumskunde. Von 1820-1821 leitete er die preußische Expedition nach Ägypten, die er in 3 Bänden dokumentierte. Seine Frau Wolfardine von Minutoli begleitete ihn und verfasste einen Reisebericht, der in mehreren Übersetzungen erschien.
Minutoli sammelte vor allem in Luxor unzählige Artefakte, die er zum einem Teil selbst ausgrub, zum anderen Teil erwarb - insgesamt füllte er 117 Kisten. 97 davon wurden auf dem gecharterten dänischen Frachtsegler "Gottfried" nach Preußen eingeschifft, doch dieser sank mit samt seiner kostbaren Fracht in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1822 während eines schweren Orkans in der Elbmündung bei Cuxhaven. Nur die 20 Kisten, die auf dem Landweg transportiert wurden, erreichten Berlin. Sie bildeten den Grundstock des neuen Ägyptischen Museums Berlin.
Der Orkan wütete damals 5 Tage, was eine Bergung des Schiffs unmöglich machte. Von Besetzung und Passagieren überlebte nur ein Matrose. Zur Ladung - die Ladungsliste ist erhalten - gehörten unter anderem ein schwerer Sarkophag aus rotem Granit, mit dessen Bergung Minutoli 200 Arbeiter drei Monate lang beschäftigt hatte, die Spitze einer Pyramide aus Syenit, eine Türeinfassung, Mumien und Tiermumien, Mineralien, Stelen aus unterschiedlichen Materialien sowie Vasen aus Ton und Alabaster. Sieben von acht Mumien und ein arabisches Zelt wurden ans linke Elbufer zwischen Cuxhaven, Otterndorf und Balje gespült und später versteigert.
Nach dem Schiffswrack wurde im Lauf der letzten beinahe 200 Jahre mehrfach gesucht, doch obwohl seine Lage ungefähr bekannt ist, wurden bis heute weder das havarierte Schiff noch Objekte aus seiner Ladung gefunden.
Online-Faksimile-Ausgabe: Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in der Libyschen Wüste und nach Ober-Aegypten in den Jahren 1820 und 1821, Hauptbd. u. Atlas, 1824; Nachdr. 1827
Online--Faksimile-Ausgabe: Reise der Frau Generalin von Minutoli nach Egypten, 1829
Gisela Graichen: Das Geheimnis der Mumien aus der Elbe, 06.12.03
Ulrich Rohde: "Gottfried": Geheimnis ist gelüftet, 16.10.09
Dokumentarfilm: Terra X - Geisterschiff im Wattenmeer, D 2012
Bernardino Drovetti (Franzose, 04.01.1776 – 05.03.1852)
Bernardino Michele Maria Drovetti war gebürtiger Italiener, nahm jedoch später die französische Staatsbürgerschaft an. 1803 entsandte Napoléon den Diplomaten und Juristen als Kommissar für Auslandsbeziehungen nach Ägypten, wo er von 1810-1815 und von 1820-1829 Frankreichs Generalkonsul war. Er reorganisierte die Armee des Vizekönigs Muhammad Ali Pascha, unternahm Reisen (unter anderem mit Frédéric Cailliaud) und begann sich für Antiquitäten und Ausgrabungen zu interessieren.
In Sachen Antiquitätenerwerb waren Giovanni Battista Belzoni und Henry Salt Drovettis größten Rivalen. Auch Jean-François Champollion zählte zu seinen Feinden. Drovetti stand nicht nur unter dem Verdacht, bürokratische Hindernisse zu erfinden, sondern wurde sogar bezichtigt, die Kunstschätze seiner Rivalen zu zerstören. Seine Mitarbeiter scheuten sich auch nicht, Waffengewalt zu gebrauchen.
Eine Heerschar von Agenten suchte in Drovettis Auftrag Antiquitäten und machte Ausgrabungen, v.a. in Theben, welches er sich mit Henry Salt teilte. Er baute eine enorme Sammlung auf, deren Stücke er meistbietend in Europa verkaufte. So ging der Großteil seiner Sammlung (etwa 8.000) Objekte) für 400.000 Italienische Lira an die Universität von Turin, wo sie den Grundstein für das Museo Egizio in Turin bildete. Ein weiterer bemerkenswerter Teil befindet sich im Louvre, einen dritten erwarb Karl Richard Lepsius für das Ägyptische Museum in Berlin. Einige Stücke landeten in Genf, Wien, München, Lyon und Marseilles.
1820 entdeckte Drovetti in Luxor einen Königspapyrus, eine vermutlich aus der Zeit Ramses II. stammende Königsliste in hieratischer Schrift. Drovetti und seine Mitarbeiter waren dafür bekannt, nicht gerade achtsam mit ihren Funden umzugehen. Man glaubt daher, dass es wenigstens teilweise auf ihr Konto ging. dass der Papyrus, der heute Königspapyrus Turin heißt, bei seiner Ankunft in Italien in kleinste Bruchstücke zerfallen war.
Drovetti verlor in seinem späteren Leben den Verstand und starb 1852 in einer Irrenanstalt.
Ronald Ridley: [Anzeige] Napoleon's Proconsul in Egypt - The Life and Times of Bernardino Drovetti, 1998
J. P. Granger (Lithographie von G. Engelmann): Drovetti (middle) and his entourage measuring a fragment of a colossus in Upper Egypt, aus: Forbin: Voyage dans le Levant, 1819
Giovanni Battista Belzoni (15.11.1778 – 03.12.1823)
Der Große Belzoni war eigentlich studierter Hydraulik-Fachmann, doch mit seiner stattlichen Größe von 2 Metern hatte er mehr Erfolg als Gewichtheber, Schauspieler und Geisterbeschwörer in internationalen Zirkus-Manegen. 1815 reiste er auf Einladung von Muhammad Ali Pascha nach Kairo. Dort lernte er über Jean Louis Burckhardt den britischen Generalkonsul Henry Salt kennen, der ihn beauftragte, aus dem Ramesseum in Theben den 7 Tonnen schweren Kopf der Statue von Ramses II. zu holen und in das British Museum nach London zu transportieren. Belzonis Frau begleitete ihn auf dieser erfolgreichen Expedition - sie war wohl die erste Europäerin, die so weit in den Süden von Ägypten vordrang.
Spätere Reisen führten Belzoni zu den Tempeln von Edfu, Philae und Elephantine. 1816/1817 leitete er Ausgrabungen in den Tempelanlagen von Karnak. Am 1. August 1817 befreite er den oberen Teil des Eingangs zum Großen Tempel in Abu Simbel vom Sand und drang ins Innere vor. Im gleichen Jahr kehrte er nach Theben Zurück und entdeckte im Tal der Könige die Gräber KV17 (Sethos I., "Belzonis Grab"), KV16 (Ramses I.), KV23 (Eje II.), KV19 (Montuherchepschef, Sohn von Ramses IX.) sowie einige Gräber mit bis heute unbekannten Eigentümern: KV21, KV25, KV30 und KV31. 1818 fand Belzoni den Eingang der Chephren-Pyramide in Gizeh und drang bis zur Grabkammer vor. Er war der erste Europäer, der die Oase Siwa besuchte und fand die Ruinen von Berenike am Roten Meer. 1823 starb er auf einer seiner Afrikareisen an der Ruhr.
Neuausgabe der [Anzeige] Entdeckungsreisen in Ägypten 1815-1819 in den Pyramiden, Tempeln und Gräbern am Nil
Giovanni Battista Belzonis Erzählungen über seine Entdeckungen: [Anzeige] The Pyramids, Temples, Tombs, and Excavations,
in Egypt and Nubia, Nachdruck
der Ausgabe London, 1820
Belzonis Reisen in Aegypten und Nubien nebst einer Reise nach dem Ufer
des rothen Meers und nach der Oase des Jupiter Ammon, 1821
Online-Faksimile-Ausgabe: Description of the Egyptian Tomb, 1821
Stanley Mayes: The Great Belzoni: The Circus Strongman Who Discovered
Egypt's Treasures, 2006
Dokumentarfilm: Giovanni Belzoni - Im Bann des großen Ramses, D 2006
Graffito von Belzoni in der Grabkammer der Chephren-Pyramide
Henry Salt (14.06.1780 – 30.10.1827)
Der Künstler und Diplomat lernte Ägypten auf einer Orientreise von 1802-1806 kennen. 1815 wurde er zum britischen Generalkonsul in Kairo ernannt. Im Mai 1816 reiste er zum erstem Mal nach Ägypten. Er und Burckhardt beauftragten Belzoni, den 7 Tonnen schweren Kopf einer Statue von Ramses II. aus dem Ramesseum in Theben nach England zu schaffen. 1817 schenkten die beiden den Kopf dem British Museum in London.
Salt war zwar selbst an Untersuchungen in Theben, in den Pyramiden von Gizeh und an der Sphinx beteiligt, bezahlte aber auch Belzoni für Ausgrabungen, insbesondere im Tempel von Abu Simbel. Auf diese Weise trug er ansehnliche Mengen ägyptischer Kunstwerke zusammen, die er meistens dem British Museum verkaufte, so z.B. Wandmalereien aus der Grabkapelle des Nebamun, die er von ihrem Fundort entfernen ließ, ohne ihn zu vermerken. Der Louvre in Paris kaufte von ihm den Sarkophag von Ramses III.
1827 erkrankte Salt an der Ruhr und starb. Er wurde in Alexandria bestattet.
Biographie von Deborah Manley & Peta Rée: [Anzeige] Henry Salt - Artist, Traveller, Diplomat, Egyptologist, 2001
Online-Faksimile-Ausgabe: J. J. Halls: The Life and Correspondence of Henry Salt, 1834. Vol. 1 + Vol. 2
Jean Louis Burckhardt (24.11.1784 – 15.10.1817)
Der mittellose Schweizer Jurist, der auch unter den Namen Johann Ludwig Burckhardt und John Lewis Burckhardt bekannt ist, lernte in London Arabisch und verwandelte sich wegen eines Geheimauftrags für die britische Krone in einen muslimischen Kaufmann aus Indien mit dem Namen Scheich Ibrahim Ibn Abdallah. 1809 reiste er in dieser Tarnung nach Syrien und studierte dort Islamwissenschaft. 1812 suchte und fand er auf seiner Reise Richtung Niger, seinem eigentlichen Ziel, die verschollene legendäre Felsenstadt Petra in Jordanien und gelangte von dort nach Kairo. Mit einem Schutzbrief Muhammad Ali Paschas unternahm er 1813 auf dem Landweg eine Pilgerreise nach Mekka - er war offensichtlich tatsächlich konvertiert - und entdeckte auf dem Weg dorthin in Nubien die im Wüstensand versunkenen Tempel von Abu Simbel wieder. Wieder zurück in Ägypten infizierte er sich nach einer Fischvergiftung mit der Ruhr und starb mit nur 32 Jahren, ohne seine Mission, den Niger zu entdecken, erfüllt zu haben. Er wurde auf einem muslimischen Friedhof in Kairo begraben.
Online-Faksimile-Ausgabe: Reisen in Nubien, 1820
Eine revidierte Ausgabe davon erschien 2010: [Anzeige] Entdeckungen in Nubien -
Der
erste europäische Forschungsreisende am Oberlauf des Nils
Dokumentarfilm: Expedition in die Wüste - Johann L. Burckhardt, D 2012
Frédéric Cailliaud (09.06.1787 – 01.05.1869)
Der Juwelier, Naturforscher und Mineraloge Frédéric Cailliaud kam erstmals 1815 nach Ägypten, wo er in Alexandria gleich dem französischen Vize-Konsul Bernardino Drovetti (1776-1852) begegnete. Von Januar bis Juni 1816 reisten die beiden auf dem Nil bis Wadi Halfa. Sie erforschten die Tempel und Gräber in Luxor und Theben sowie die Tempel in Abydos, Dendera, Kom Ombo, Elephantine, Philae und Abu Simbel, wo sie erfolglos versuchten, den verschütteten Tempel freizulegen - das gelang erst Belzoni im August 1817.
Bei ihrer Rückkunft erreichte Drovetti, dass der Vizekönig Muhammad Ali Pascha Cailliaud mit der mineralogischen Erforschung des Landes beauftragte (November 1816 - März 1818). Er sollte verschollene Smaragd-Gruben in Oberägypten aufspüren, die von den Ptolemäern irgendwo zwischen Nil und Rotem Meer gegraben worden waren. Cailliaud wurde 1818 am Gebel Zabara in der östlichen Wüste tatsächlich fündig, doch war die Ausbeute viel zu gering und das Unternehmen wurde gestoppt.
Bei seiner nächsten Reise von April bis Juli 1818 in die Oase Charga hinterließ Cailliaud in einem Tempel ein Graffito: "Cailliaud was the first European who learned of this temple year 1818.”
Da er den Wunsch hatte, all seine Entdeckungen zu präsentieren, reiste er im November 1818 nach Frankreich. Zutiefst beeindruckt von seinem Wissen, seinem Können und seiner Sammlung sandte ihn die Regierung nun mit offiziellem Auftrag zurück nach Ägypten, wo er von November 1819 bis März 1820 alle Oasen der westlichen Wüste bereiste. In Qurna baute er sich ein Lehmhaus als Lager für die von den Qurnawis in Massen erworbenen Antiquitäten. In Ermangelung von Holz für das Dach verwendete er Teile von altägyptischen Särgen ...!
Von November 1820 bis Mai 1822 besuchte Cailliaud als einer der ersten Europäer den Sudan, wo er für Muhammad Pascha und einen seiner Söhne die nubischen Goldminen wiederfinden sollte. Auch das gelang ihm, bemerkenswerter ist allerdings, dass er im April 1821 Meroë, die frühere Hauptstadt von Kusch wiederentdeckte.
Cailliaud machte auf seinen pionierhaften Reisen umfangreiche Notizen von Flora und Fauna. Er interessierte sich für Land und Leute, aber auch für Tempel und Gräber, von denen er ausgezeichnete Kopien und Aquarelle anfertigte. Einige der Gräber sind inzwischen ausgeraubt oder zerstört, so dass Cailliauds Notizen die einzige Quelle darstellen. Aus seinen Aufzeichnungen weiß man, dass das Grab von Neferhotep 1822 am nördlichen Ende von Dra Au el-Naga wiederentdeckt wurde, doch seine Lage ist verloren gegangen. Bis heute weiß man nicht, wo es sich befunden hat.
Frédéric Cailliaud: Szene aus dem verschollenen Grab von Neferhotep, aus: Frédéric Cailliaud - Recherches sur les arts et métiers, les usages de la vie civile et domestique des anciens peuples de l'Égypte, de la Nubie et de l'Éthiopie, 1831
1822 kehrte Cailliaud mit einer Sammlung von mehr als 2000 archäologischer Artefakte nach Frankreich zurück. Zu dieser Zeit bildete sie dort die wichtigste und umfangreichste Grundlage für die Erforschung altägyptischer Kunst und ermöglichte Champollion das Studium der Hieroglyphenschrift. Cailliaud veröffentlichte die bahnbrechenden Informationen seiner Reisen zunächst in Travels in the Oasis of Thebes und dann in Travels to Meroë. Für seine Verdienste wurde er mit der Ehrenlegion, der ranghöchsten Auszeichnung Frankreichs belohnt.
2002 tauchte ein unveröffentlichtes, 1.000seitiges Manuskript von Cailliaud auf einer Auktion in den USA auf. Als es 2005 erneut versteigert wurde, nun in London, griff ein Mitglied des American Research Center in Egypt zu. 2008 initiierte das ARCE die Übersetzung und Veröffentlichung des Werkes, das 4 Textentwürfe enthielt und auch Cailliauds Bobachtungen und Entdeckungen in Theben und Meroë beschrieb. Es wurde 2013 unter dem Titel The Lost Manuscript of Frédéric Cailliaud veröffentlicht.
Cailliaud arbeitete seit 1836 bis zu seinem Tod 1869 als Konservator am Museum seiner Vaterstadt.
Online-Faksimile-Ausgabe: Voyage à l'Oasis de Thèbes et dans le déserts situés à l'orient et à l'occident de la Thébaïde fait dans les années 1815, 1816, 1817 et 1818, 1821
• Englischer Nachdruck: [Anzeige] Travels in the Oasis of Thebes, and in the Deserts Situated East and West of the Thebaid: In the Years 1815, 16, 17, and 18, 2012
Online-Faksimile-Ausgabe: Voyage à Méroé, au Fleuve Blanc, au-delà de Fâzoql dans le midi du royaume de Sennâr, a Syouah et dans cinq autres Oasis fait dans les années 1819, 1820, 1821 et 1822
• Vol. 1, 1826
• Vol. 2, 1826
Online-Faksimile-Ausgabe: Recherches sur les arts et métiers, les usages de la vie civile et domestique des anciens peuples de l'Égypte, de la Nubie et de l'Éthiopie: suivies de détails sur les moeurs et coutumes des peuples modernes des mêmes contrées, 1831
[Anzeige] The Lost Manuscript of Frédéric Cailliaud, 2013
James Burton (22.09.1788 – 22.02.1862)
James Burton war einer der ersten britischen Ägyptologen. Auf einer Italienreise traf er die Ägyptologen Sir John Gardner Wilkinson, Edward William Lane und Sir William Gell, die sein Interesse für Ägypten weckten. 1822 reiste er auf Einladung Muhammad Ali Paschas erstmals nach Ägypten, um bei der Suche nach Kohle mitzuarbeiten, gab diese Arbeit aber 1824 wieder auf. Stattdessen begann er sich für die antiken Monumente Ägyptens zu interessieren und reiste 1825 auf dem Nil von Kairo nach Abu Simbel. Sein Weg führte ihn auch nach Theben, wo er sieben Monate verbrachte und mehrere Ausgrabungen in Medinet Habu, Karnak und im Tal der Könige durchführte. Bis 1828 fertigte er zahlreiche Zeichnungen der Monumente, Gräber und ihrer Inschriften an, die heute von großem historischen Wert sind und im British Museum aufbewahrt werden. 1835 kehrte Burton mit Tieren, Dienern und Sklaven nach England Zurück. Begleitet wurde er von seiner Ehefrau Andreana, einer griechischen Sklavin, die er in Ägypten gekauft hatte - sehr zum Verdruss seiner Familie, die ihn daraufhin enteignete. 1836 war er gezwungen, seine Sammlungen über Sotheby's zu versteigern, um seine Schulden zu bezahlen. Die einzigen Objekte, die er behielt, waren eine Mumie und ein Sarg, die sich jetzt im Liverpool Museum befinden. Er starb 1862 in Edinburgh.
1989 entdeckte der amerikanische Ägyptologe Kent Weeks mit Hilfe der Zeichnungen und 63 Notizbücher von James Burton den Eingang zu KV5, dem mit mehr als 150 Räumen größten Grab der Söhne Ramses II. im Tal der Könige.
Reprint des Katalogs der bei Sotheby's versteigerten Kunstwerke: [Anzeige] Catalogue Of The Very Interesting Collection Of Egyptian Antiquities Formed By James Burton ... During His Travels In Egypt: Which Will Be Sold By Auction By Mr. Sotheby And Son ..., 1836
Jean-François Champollion (23.12.1790 – 04.03.1832)
Der Buchhändlersohn lernte schon mit 13 Jahren orientalische Sprachen, darunter Arabisch, Persisch und Koptisch. Das Ägypten-Fieber ergriff ihn, als 1801 Napoleons Ägyptische Expedition nach Frankreich zurückkehrte und er erfuhr, dass niemand es bis dahin geschafft hatte, die alten ägyptischen Schriftzeichen (Hieroglyphen) zu entziffern. Seitdem widmete er sich wie besessen ihrer Entschlüsselung. In Paris bekam er die Gelegenheit mit dem Stein von Rosetta zu arbeiten, einer Stele, die denselben Text in Altgriechisch, Demotisch und in Hieroglyphen trägt.
Politische Wirren, mangelnder Zugang zu altägyptischem Material, persönliche Intrigen gegen ihn und eine schwache Gesundheit erschwerten seine Forschungsarbeiten. Schließlich bekam er weiterführende Schriftzeichen zu sehen: Abschriften von Namenskartuschen auf dem Obelisken von Philae, den Original-Tierkreis von Dendera, der 1821 in den Louvre geschafft worden war, und Lithographien von Inschriften im Tempel von Abu Simbel. Er erkannte, dass manche Hieroglyphen für Buchstaben standen, andere für Buchstabenkombinationen oder ganze Wörter, wieder andere bestimmten den Kontext. Im September 1822 gelang es ihm schließlich, ein vollständiges System zur Dechiffrierung der Hieroglyphen aufzustellen, das er am 27. September 1822 den Mitgliedern der Akademie der Inschriften und der schönen Literatur in Paris präsentierte. Damals erntete er nur Spott und Zweifel, heute gilt das Jahr 1822 wegen seiner Verdienste als Geburtsstunde der modernen Ägyptologie.
Von 1824 bis 1826 lebte Champollion in Turin und übersetzte den Turiner Königspapyrus, eine altägyptische Königsliste. Da seine Datierungen die bis dahin gültige Zeitrechnung der mächtigen katholischen Kirche komplett in Frage stellten - laut dem 1. Buch Mose gibt es die Erde seit 2349 v. Chr. -, konnte er sie Zeit seines Lebens nicht veröffentlichen.
1826 wurde Champollion Kurator der Abteilung für Ägyptische Kunst im Louvre. Von August 1828 bis Dezember 1829 hatte Champollion erstmals die Gelegenheit, Ägypten zu bereisen. Er leitete eine französisch-toskanische Ägypten-Expedition den Nil entlang bis Wadi Halfa im Sudan und dokumentierte alle Sehenswürdigkeiten auf seinem Weg. 1831 bekam er einen Lehrstuhl für Ägyptologie am Collège de France. 1832 starb er in Paris an einem Schlaganfall. Nach seinem Tod gab sein Bruder zwei seiner wichtigen Werke heraus: Die Grammaire égyptienne und die Lettres écrites d’Égypte et de Nubie en 1828 et 1829.
Online-Faksimile-Ausgabe seines Reiseberichts: Lettres écrites d'Égypte
et de Nubie en 1828 et 1829, nouvelle edition 1868
Artikel von Adel Kamel in der Zeitschrift Kemet 1/1999: "Je tiens l’affaire" - Champollion und die Entzifferung der Hieroglyphen ( Download 288 KB)
Bücher für Ihr Studium der Hieroglyphen finden Sie hier.
Dokumentarfilm: Jean François Champollion, Wettlauf um den
Hieroglyphencode, D/GB 2006
Seiten aus dem Notizbuch von Jean-François Champollion, © Heritage Images
David Roberts (02.10.1796 – 25.10.1864)
Ursprünglich war Roberts Bühnenbild- und Studiomaler. Er erlangte großes Ansehen und wurde 1831 Präsident der Royal Society of British Artists. Zahlreiche private Aufträge ermöglichten ihm Reisen in Europa. Ein Aufenthalt in Spanien weckte sein Interesse am Orient. Im August 1838 reiste er zum ersten Mal nach Ägypten. Er mietete sich eine Dahabeya und war damit drei Monate lang auf dem Nil unterwegs. Bis hinunter nach Nubien führte ihn seine Reise, in deren Verlauf er alle bedeutenden archäologischen Stätten am Nilufer besuchte und zeichnete. Dazu gehörten die Tempel von Abu Simbel, Kalabsha, Gerf Hussein, Philae, Karnak, Luxor, Kom Ombo, Edfu und Esna. Es gelang ihm sogar als erstem Europäer, das Innere einer Moschee zu betreten und zu zeichnen. Über die Sinai-Halbinsel, Jerusalem, Petra und viele weitere berühmte Stätten reiste er zurück nach England. Auf seiner Orientreise entstanden 247 Zeichnungen, die die Grundlage für Lithographien des belgischen Graveurs Louis Haghe (1806-1885) bildeten. Dass dieser dabei durchaus einen eigenen Beitrag zu den Kunstwerken leistete, ist unten in der Gegenüberstellung von Zeichnung und Lithographie zu sehen. 1856 wurden die Lithographien unter dem Titel Egypt and Nubia in 6 Bänden aufgelegt. Reproduktionen von David Roberts und Louis Haghe sind bis heute überall in Ägypten zu finden und geben wertvolle Informationen über die Farbenpracht der Tempel und das Aussehen der Landschaften Mitte des 19. Jahrhunderts.
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Säulenhalle in Karnak: Zeichnung von David Roberts, 1838 • Handkolorierte Lithographie von Louis Haghe, 1848
Joseph Bonomi der Jüngere (09.10.1796 – 03.03.1878)
Eigentlich wollte Bonomi Bildhauerei in Rom studieren (sein Vater stammte aus Rom), doch das Schicksal hatte andere Pläne: Er nahm eine (schlecht bezahlte) Anstellung als Begleiter von Robert Hay an und reiste mit ihm 1824 nach Ägypten. Sein Interesse an der Ägyptologie war geweckt. Als Mitglied von Hays Expedition fertigte er von 1824-1826 zahlreiche Skizzen von Altertümern in Abu Simbel, Kalabsha, Philae und Theben an. Doch es gab Ärger zwischen Hay und ihm. Hay ersetzte ihn durch Edward William Lane.
Nachdem Bonomi in Kairo 1827/1828 die Excerpta hieroglyphica von James Burton illustriert und sich dadurch seine finanzielle Lage verbessert hatte, überzeugte ihn Hay, sich - bei einer weit höheren Bezahlung - wieder seinem Team anzuschließen.
Nach Hays Abreise im Jahr 1834 reiste Bonomi durch Syrien und Palästina. 1839 illustrierte er Manners and Customs of the Ancient Egyptians von John Gardner Wilkinson und schloss sich 1842 der Expedition von Karl Richard Lepsius an. 1844 kehrte er nach England zurück, wo er 1878 starb.
John Gardner Wilkinson (05.10.1797 – 29.10.1875)
Der reiselustige Begründer der britischen Ägyptologie reiste 1821 zum ersten Mal nach Ägypten. Bei ihm stand nicht mehr, wie bei seinen Vorgängern, die Schatzsuche im Vordergrund, sondern die Dokumentation der Kunstwerke. In den Jahren 1824 und 1827-1828 leitete Wilkinson Ausgrabungen in Theben, speziell im Tal der Könige.
Wilkinson alias Ismail Efendi bezog ein Felsengrab in Scheich Abd el-Qurna, das er sehr für seine klimatischen Vorzüge und den ausgezeichneten Blick schätzte: TT78, das Grab des Wesirs Ametju aus der 18. Dynastie, noch heute bekannt als Wilkinson-Haus. Er erweiterte es, so dass es am Ende über eine Terrasse, Vorräume, Schlafzimmer, einen Salon, ein Esszimmer, einen Taubenschlag, Bedienstetenräume und eine Küche verfügte - deren Feuerstelle mit Sarg-Fragmenten beheizt wurde... Später wohnte dort auch Lepsius mit seiner Expedition.
Wilkinson lief mit Zeichenblock, Pinsel und Ölfarbe durch die thebanische Nekropole und zeichnete nahezu alle Inschriften ab. Mit einem Eimer rotbrauner Farbe wanderte er durch das Tal der Könige und gab jedem Grab, das er fand, eine Nummer beginnend mit KV für Kings' Valley. Sein System ist bis heute gebräuchlich. Außerdem entwickelte er auf der Grundlage der Inschriften in den Pharaonengräbern eine Chronologie des Neuen Reiches und erstellte einen Übersichtsplan des alten Theben.
1833 kehrte Wilkinson aus gesundheitlichen Gründen nach England zurück, hielt sich aber 1842 und 1848/1849 wieder in Ägypten auf. Zuletzt kam er im Winter 1855/1856 und besuchte Theben. Er veröffentlichte die erste, komplette Beschreibung der wichtigsten archäologischen und geschichtlichen Sehenswürdigkeiten in Ägypten und Nubien, kartografierte Amarna, dokumentierte die Grabmalereien der Felsengräber in Beni Hassan und sammelte Artenmuster aus allen Bereichen der Natur. Wilkinson starb 1875 in Wales. Seine Aufzeichnungen füllten 56 großformatige Bände, die sich heute in der Bodleian Library in Oxford befinden und noch immer unschätzbaren Wert für die Forschung haben. Bis heute werden seine Werke als Faksimiles neu aufgelegt:
[Anzeige] Topography of Thebes, and General View of Egypt, Nachdruck von 1835
[Anzeige] A Popular Account of the Ancient Egyptians, Volume 1: Illustrated with Five
Hundred Woodcuts, Nachdruck von 1854
[Anzeige] A Popular Account of the Ancient Egyptians, Volume 2: Illustrated with Five
Hundred Woodcuts, Nachdruck von 1854
Sarah J. A. Flynn: Sir John Gardner Wilkinson, Traveller & Egyptologist
(1797-1875) - an exhibition at the Bodleian Library 1997
Wilkinson-Haus in TT78, Scheich Abd el-Qurna, © Leben in Luxor
Robert Hay (06.01.1799 - 04.11.1863)
Robert Hay kam zum ersten Mal 1818 durch seinen Dienst bei der britischen Kriegsmarine nach Ägypten und kehrte 1824 - angeregt durch Belzonis Bücher - wieder zurück. Zehn Jahre verbrachte er in Ägypten. Häufig reiste er mit anderen Künstlern, darunter Joseph Bonomi und Edward Lane, und fertigte Skizzen, Aquarelle, Architekturpläne und Gipsabgüsse von Reliefs der Sehenswürdigkeiten entlang des Nils an. Am meisten beeindruckte ihn Theben und dort das Tal der Könige. Während seines Aufenthaltes lebte er im Grab von Ramses IV. (KV2) und für zwei Wochen im Grab von Ramses X. (KV18).
1828 heiratete Hay eine kretische Sklavin, die er zuvor auf dem Sklavenmarkt in Alexandria freigekauft hatte. Sie begleitete ihn fortan auf seinen Entdeckungsreisen durch Ägypten.
Robert Hay verließ Ägypten im Frühjahr 1834 und starb 1863 in seiner schottischen Heimat. Die British Library beherbergt 49 Bände mit unveröffentlichten Amarna-Zeichnungen aus den Jahren 1830 und 1833. Auch seine Zeichnungen aus Theben befinden sich dort, darunter zwei 360°- Panoramas der Nekropole. Die Gipsabgüsse, die er gesammelt hatte, schenkte er dem British Museum, das auch nach seinem Tod seine Sammlung von 1.300 altägyptischen Kunstwerken erwarb. Einige davon kaufte 1872 das Boston Museum of Fine Arts.
Jane Waldron Grutz: The Lost Portfolios of Robert Hay, in: Saudi Aramco World, vol 54, no. 2, March/April 2003
Ippolito Rosellini (13.08.1800 – 04.06.1843)
Der Theologe und Begründer der italienischen Ägyptologie bekam 1824 eine Professur für orientalische Sprachen an der Universität in Pisa. 1825 traf er Jean-François Champollion in Florenz und wurde zu seinem Schüler, Freund und Kollegen. Von August 1828 bis Dezember 1829 nahm er an der Ägypten-Expedition teil, die Champollion leitete, und zeichnete akribisch Wandmalereien und Reliefs in Tempeln und Gräbern ab. Später veröffentlichte er sie auf eigene Kosten unter dem Titel Monumenti dell' Egitto e della Nubia. Das Werk, zu dem Champollion Textbeiträge hatte liefern wollte, doch starb, bevor sie in Druck gingen, bestand aus 9 Bänden mit 3.300 Textseiten und einem Bildatlas mit 390 großen Tafeln, zu dem mehrere Künstler beitrugen.
Englische Teilausgabe der Monumenti dell' Egitto e della Nubia, 1832-1844: [Anzeige] The Monuments of Egypt and Nubia, 2003
[Anzeige] Ippolito Rosellini and the Dawn of Egyptology: Original Drawings and
Manuscripts of the Franco-Tuscan Expedition to Egypt (1828-1829) from the
Biblioteca Universitaria di Pisa, 2011
Faksimile von Ippolito Rosellini: Tempel von Abu Simbel -
Ramses II. besiegt seine Feinde im Angesicht von Amun-Re, aus: Ippolito Rosellini - I monumenti dell'Egitto e della Nubia, 1832
Edward William Lane (17.09.1801 – 10.08.1876)
1825 reiste Lane zunächst aus gesundheitlichen Gründen in das warme Klima Ägyptens. Dort studierte er drei Jahre intensiv das ägyptische Leben und die arabische Sprache. Daraus resultierte sein 1838 veröffentlichtes Werk Manners and Customs of the Modern Egyptians, das in England große Beachtung fand und 1852 ins Deutsche übersetzt wurde (siehe unten).
1826 und 1827 verbrachte Lane insgesamt vier Monate in Theben, wobei er häufig in Gräbern und Tempeln lebte. Als Assistent von Robert Hay wohnte er 1826 mit ihm zusammen für zwei Wochen im Grab von Ramses X. (KV18). Zeitweise lebte er sogar in einem Haus, das in den 1. Pylon des Amun-Tempels in Karnak gebaut worden war.
Immer wieder hielt Lane sich für einige Jahre in Ägypten auf, so von 1835-1837 und von 1842-1849. Er gab eine englische Übersetzung der Geschichten von 1001 Nacht heraus und stellte das Arabic-English Lexicon zusammen, das erst nach seinem Tod fertiggestellt wurde. Auch sein Hauptwerk Description of Egypt wurde erst posthum veröffentlicht:
Sitten und Gebräuche der heutigen Egypter, Nachdruck von 1856:
[Anzeige] Band I, Band II, Band III
Arabic-English Lexicon, 1893 - online und als PDF
[Anzeige] Description of Egypt: Notes and views in Egypt and Nubia, made during
the
years 1825, -26, -27 and -28, erst 2000 erschienen
Biographie von Stanley Lane-Poole: The Life of Edward William Lane, 1877
Émile Prisse d’Avesnes (27.01.1807 – 16.02.1879)
Achille Constant Théodore Émile Prisse d’Avesnes (auch: Prisse d’Avennes) wurde in Frankreich geboren, stammte jedoch aus einer englischen Adelsfamilie. Er war Schriftsteller, Gelehrter, Ingenieur, Wissenschaftler, vor allem aber ein Ägyptologe und Archäologe, der mit zahlreichen Faksimile-Bänden altägyptischer Kunst ein Wegbereiter des Orientalismus in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts war.
Prisse d’Avesnes verbrachte die Jahre von 1827 bis 1844 in Ägypten. Gerade mal 20 Jahre alt trat er als Idris Effendi in die Dienste des Vizekönigs Muhammad Ali Pascha, für den er zunächst als Zivil- und Wasserbauingenieur tätig war. Ab Januar 1836 widmete er sich ganz seiner Leidenschaft für das Alte Ägypten. Sie dehnte sich allmählich auf die islamische Welt aus - einige Quellen nehmen an, dass er zum Islam konvertierte. Mit Luxor als Basisquartier bereiste Prisse fast die gesamte zentrale islamische Welt. In Kleidung, Sitten und Sprachkenntnissen seiner Umgebung vollständig angepasst besuchte er sogar die heiligen Städte Mekka und Medina.
Prisse d’Avesnes publizierte unablässig und detailliert seine Beobachtungen. 1843 dokumentierte er den Erhaltungszustand der Königsliste von Karnak - und schaffte sie im Mai 1843 illegal außer Landes - woraufhin er 1844 das Land verließ...
In Frankreich veröffentlichte er 1847 eine Faksimile-Ausgabe des später nach ihm benannten Papyrus Prisse, ein hieratischer Text mit zwei Weisheitslehren aus der 13. Dynastie, den er in Dra Abu el-Naga entdeckt hatte. Ebenfalls 1847 erschienen seine Monuments égyptiens und das Album oriental, in dem er Kleidung, Sitten und Gebräuche der damaligen ägyptischen Bevölkerung vorstellte. Veröffentlicht wurden im selben Jahr seine Studien zur Entzifferung der Hieroglyphenschrift. In zwei jeweils dreibändigen, mit Chromolithografien bebilderten Werken, der Histoire de l’art égyptien und der L’art arabe, publizierte er Faksimiles altägyptischer und islamischer Monumente, Inschriften und Malereien.
Émile Prisse d’Avesnes (zugeschrieben): Kolossalstatue Ramses II. in Wadi el-Sebua
1858 reiste Prisse d’Avesnes wieder nach Ägypten, um im Auftrag Napoléons III. bis 1860 eine wissenschaftliche Expedition zu leiten. Wie andere berühmte frühe Ägyptologen, allen voran Giovanni Belzoni, hatte er sich bei seinem ersten langjährigen Aufenthalt nicht gescheut, in großem Umfang altägyptische Kunstwerke zu "sammeln", Statuen abzutransportieren und Reliefs aus Wänden zu schneiden, darunter die
schon erwähnte Königsliste von Karnak, die sich heute im Louvre befindet. Da ihm das Ärger mit den ägyptischen Behörden eingebrachte hatte, wollten die ihm nun keine Genehmigung für seine Arbeit ausstellen. Erst als der Kunsträuber sich verpflichtete, keine weiteren Altertümer aus Ägypten wegzubringen, erhielt er eine Bewilligung für die Expedition.
Während der Weltausstellung 1867 in Paris war Prisse Mitglied der Kommission zur
Errichtung des Ägyptischen Pavillons. Bei der Gestaltung der Tempel und Palastfassaden konnte er auf den reichen Schatz seiner Aufzeichnungen und Veröffentlichungen zurückgreifen.
Prisse d’Avesnes starb 1878 in Paris. Seine Werke werden bis heute vielfach nachgedruckt:
Deutscher Nachdruck von L’art arabe:
[Anzeige] Orientalische Kunst
Zweisprachiger Nachdruck von Monuments égyptiens:
[Anzeige] Egyptian Art - Ägyptische Kunst, 2014
Englischer Nachdruck von L’art arabe: [Anzeige] Arab Art, 2010
Englischer Nachdruck der Tafelbände von Histoire de l'art égyptien: [Anzeige] Atlas of Egyptian Art, 2008
Online-Faksimile-Ausgabe: Monuments égyptiens, bas-reliefs, peintures, inscriptions etc., 1847
Online-Faksimile-Ausgabe: Oriental Album: Characters, Costumes, and Modes of Life in the Valley of the Nile, 1848
Online-Faksimile-Ausgabe: L'Art arabe d'après les monuments du Kaire depuis le VIIe siècle jusqu'à la fin du XVIIIe, 3 vol., 1877
Online-Faksimile-Ausgabe: Histoire de l'art égyptien - Atlas 1, 1878
Online-Faksimile-Ausgabe: Histoire de l'art égyptien - Atlas 2, 1878
Online-Faksimile-Ausgabe: Histoire de l'art égyptien - Text, 1879
Mary Norton: Prisse - A Portrait, in: Saudi Aramco World, Vol. 41, No. 6, November/December 1990
Ausstellung in der Bibliothèque Nationale de France: Visions d'Égypte - Émile Prisse d’Avesnes (1807–1879), du 1er mars au 5 juin 2011
Zugehöriger Ausstellungskatalog: [Anzeige] Visions d'Égypte - Émile Prisse d’Avesnes (1807–1879), 2011
IFAO: [Anzeige] Émile Prisse d'Avennes - un artiste-antiquaire en Égypte au XIXe siècle, 2013
Karl Richard Lepsius (23.12.1810 – 10.07.1884)
Der studierte Sprachwissenschaftler gilt als Begründer der deutschen Ägyptologie. 1836 traf er Ippolito Rosellini und trat in Rom das Amt des redigierenden Sekretärs am Archäologischen Institut an. Dort beschäftigte er sich mit der Hieroglyphen-Entzifferung von Champollion und bestätigte bzw. korrigierte sie, wo nötig.
1838/1839 kam Lepsius in den Besitz des berühmten Papyrus Westcar - wie ist umstritten. Der Papyrus handelt von Pharao Cheops, der sich von seinen Söhnen verschiedene Wunder- und Zaubergeschichten erzählen lässt und ist das bislang älteste erhaltene Dokument mit diesem Thema. Für die Ägyptologie ist es wichtig, da es eine andere Herrscherabfolge als die Königsliste von Abydos enthält. (Lepsius' Sohn verkaufte den Papyrus 1886 an die Berliner Papyrussammlung.)
1842 wurde Lepsius in Berlin außerordentlicher Professor und erhielt die Aufgabe, die vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. ausgesandte Expedition nach Ägypten und Äthiopien zu leiten. Als Begleiter wählte er Architekten, Maler und Zeichner, die in der Hieroglyphenschrift ausgebildet waren. Die Expedition führte ihn von 1842-1846 von Memphis im Norden über Theben weit nach Süden bis in den Sudan hinein und wieder zurück über den Nil und den Sinai.
Die Wintermonate 1844/1845 verbrachten Lepsius und sein Team in Theben, wo sie im Haus von John Gardner Wilkinson wohnten, einem ausgebauten Felsengrab (TT83) in Scheich Abd el-Qurna. Da viele Besucher kamen, legte Lepsius Ende 1844 ein Gästebuch an - auch, um der Manie von Touristen vorzubeugen, ihre Namen wie ihre antiken Vorgänger in mit Reliefs dekorierte Wände einzumeißeln. Er nannte sein "Fremdenbuch" Die Salamat von Theben. Geschmückt mit den Memnonkolossen enthielt es vom 01.01.1845 bis zum 16.01.1973 auf 205 Seiten neben einer Einleitung von Lepsius ("An die Ägyptischen Reisenden") mehr als 2.600 Eintragungen von Besuchern aus 32 Ländern, darunter die Namen: Emil Brugsch, Gaston Maspero, Ernesto Schiaparelli, Henrik Ibsen, Rudyard Kipling, Heinrich Schliemann, Robert Koch, Lord Carnarvon, Thomas Cook, Alfred Krupp und Theodore Roosevelt. Das Buch befindet sich heute im Ägyptischen Museum Berlin.
Die Lepsius-Expedition kopierte Grabmalereien, insbesondere astronomische Darstellungen im Tal der Könige und legte KV7 (Ramses II.), KV8 (Merenptah) und KV20 (Hatschepsut) zuvor frei.
Die Ausbeute war enorm und bestand nicht nur aus Landschaftsbildern, Papierabdrücken, Planzeichnungen und epigraphischen Kopien in bis dahin unerreichter graphischer Genauigkeit, sondern auch aus 1.500 Original-Kunstwerken, die Lepsius mit ausdrücklicher Zustimmung von Muhammad Ali Pascha ausführte (in anderen neuzeitlichen Quellen ist von 15.000 die Rede, aber die Neue Deutsche Biographie spricht von 1.500). Sie befinden sich heute im Ägyptischen Museum Berlin, dessen gestalterischer Urheber und seit 1865 auch Direktor Lepsius war. Die Aufzeichnungen wurden in Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien (1849–1859, 12 Bände mit 894 Tafeln) veröffentlicht. Der 5bändige Text dazu wurde erst posthum publiziert und stammt aus Lepsius' ausführlichen Reisetagebüchern.
Nach seiner Rückkehr in Berlin wurde Lepsius 1846 ordentlicher Professor und 1850 ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Er entwickelte das Lepsius-Alphabet, eine Umschrift (Transkription) für 117 fremde Sprachen und Schriften und erstellte die Lepsius-Pyramidenliste (ebenfalls veröffentlicht in Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien), für die er alle pyramidenähnlichen Bauwerke geographisch sortiert von Norden (Abu Rawash, Memphis) nach Süden (Hawara, Fayoum) mit römischen Zahlen nummerierte. Er zählte 67 (LXVII) Pyramiden.
1866 und 1869 reiste Lepsius wieder nach Ägypten. Seit 1867 war er Präsident des römischen Archäologischen Instituts und von 1873 bis zu seinem Tod Oberbibliothekar (Direktor) der Königlichen Bibliothek in Berlin.
PDF-Faksimile-Ausgabe: Das Todtenbuch der Ägypter nach dem
hieroglyphischen Papyrus in Turin, 1842 ( 6,4 MB)
Online-Faksimile-Ausgabe des Lepsius-Projekts in Sachsen-Anhalt: Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien, 1849–1859
Online-Faksimile-Ausgabe: Briefe aus Ägypten, Äthiopien und der
Halbinsel
des Sinai, 1852
[Anzeige] Über die Götter der vier Elemente bei den Ägyptern, Nachdruck der
Ausgabe
von 1856
Lepsius online, eine Website mit ausführlicher Biographie von Lepsius
und
Beschreibung der Ägypten-Expedition
Karl Richard Lepsius: Theben - Tempel Sethos I. von Alt Qurna, aus: Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien, 1849-1859
Auguste Mariette (11.02.1821 – 18.01.1881)
François Auguste Ferdinand Mariettes Interesse an Ägypten wurde schon in jungen Jahren geweckt. Er lernte Koptisch und studierte die Hieroglyphen, was ihm 1849 eine Anstellung am Ägyptischen Museum in Paris verschaffte. 1850 reiste er im Auftrag des Louvre nach Ägypten, um koptische, syrische und äthiopische Manuskripte aufzukaufen. Seine freie Zeit nutzte er für Ausflüge und (zunächst) illegale Grabungen in Saqqara.
Mariette lernte in Kairo den Vizekönig Said Pascha kennen und rief mit seiner Unterstützung ein Programm zur Freilegung antiker Stätten in Ägypten ins Leben. Dafür beschäftigte er in den Jahren von 1850-1854 7280 Arbeiter, die an 35 Orten, u.a. in Gizeh, Theben, Abydos, Elephantine, Qurna, Karnak, Esna, Medinet Habu, Deir el-Bahari und Edfu Ausgrabungen durchführten - und schmuggelte 5.964 Objekte von Ägypten nach Frankreich. Nach einem Jahr erfolgloser Suche entdeckte er 1851 in Saqqara das Serapeion, die unterirdische Begräbnisstätte der Apis-Stiere. Heinrich Brugsch, der ihm ein guter Freund wurde, entzifferte für ihn 1853 die demotischen Schriftzeichen an den Wänden: die Chronologie der ägyptischen Pharaonen war gefunden!
Wieder zurück in Paris
wurde Mariette 1854 zum Direktor der ägyptischen Abteilung des Louvre ernannt, doch die Sehnsucht blieb: 1857 zog Mariette mit seiner Familie nach Kairo um, um seine Ausgrabungen - mit Hilfe von Sprengladungen! - fortzusetzen. 1858 ernannte ihn Said Pascha zum Direktor des Antikendienstes, womit er die Oberleitung und Lizenzvergabe für Ausgrabungen innehatte - sehr zum Verdruss der Briten, die ihm unsachgemäße Arbeitsmethoden und Monopolisierung der Genehmigungen zu seinen Gunsten vorwarfen.
Mariette, immer mehr von der Notwendigkeit überzeugt, dass ägyptische Altertümer ihren Standort in Ägypten haben sollten, veranlasste den Vizekönig, einen Platz zu schaffen, an dem die zahlreichen einzigartigen Kunstwerke vor vandalisierenden Touristen, Schatzsuchern, Antiquitätenhändlern und Bauern, die mit pulverisierten Mumien und Papyri ihre Felder düngten, geschützt werden konnten. 1858 wurde das erste Ägyptische Museum im Kairoer Stadtteil Bulaq gegründet. Aus ihm ging 1902 das heutige Ägyptische Museum in Kairo hervor.
1862 wurde Mariette zum Bey ernannt und 1879 erhielt er den Titel Pascha.
Mariette starb 1881 in Kairo. Nach seinem Wunsch wurde er im Garten des ersten Museums, das er in Bulaq geschaffen hatte, begraben. Heute ruht er in einem Sarkophag im Garten des Ägyptischen Museums in der Innenstadt von Kairo. Ein anderer Herzenswunsch wurde ihm nicht erfüllt: die Entdeckung der Mumie Ramses II. Die fand sein Assistent Emil Brugsch weniger als 5 Monate nach seinem Tod in der Königscachette in Deir el-Bahari.
Online-Faksimile-Ausgabe: Abydos: description des fouilles (Band 1): Ville antique. Temple de Séti, 1869
Online-Faksimile-Ausgabe: Abydos: description des fouilles (Band 2):
Temple de Séti (Supplément). Temple de Ramsès. Temple d'Osiris. Petit Temple
de l'Ouest. Nécropole, 1880
Online-Faksimile-Ausgabe: Dendérah: description générale du grand
temple
de cette ville, 1870-1875
Dokumentarfilm über A. Mariette und die Brugsch-Brüder: [Anzeige] Troja ist überall - Der Siegeszug der Archäologie, Teil 2: Das Versteck der Pharaonen, D 2007
Heinrich Brugsch (18.02.1827 – 09.09.1894)
Heinrich Karl Brugsch interessierte sich schon als Schüler für das Alte Ägypten und begann sich selbst die Grundlagen der altägyptischen Schrift und Sprache beizubringen. Auf der Grundlage von Champollions Dechiffrierung der Hieroglyphen gelang ihm der wesentliche Durchbruch bei der Entzifferung der demotischen Schrift. Karl Richard Lepsius wurde auf den jungen Gymnasiasten aufmerksam, erkannte aber nicht sein Potential und verhinderte sogar, dass der seine Vorlesungen besuchen konnte.
In seinem Abiturjahr 1848 veröffentlichte Brugsch seine erste Schrift Scriptura Aegyptiorum demotica, eine in lateinischer Sprache abgefasste demotische Grammatik, und erhielt daraufhin die Unterstützung von König Friedrich Wilhelm IV. Als Brugsch von den demotischen Funden Mariettes in Saqqara hörte, bat er den König, der schon Lepsius' Expedition möglich gemacht hatte, ihm eine wissenschaftliche Reise nach Ägypten zu finanzieren. Er trat sie 1853 an und lernte Mariette kennen, bei dem er mehrere Monate wohnte und die demotischen Schriftzeichen an den Wänden des Serapeion in Saqqara übersetzte. Insgesamt blieb er ein Jahr in Ägypten. Er reiste auf dem Nil in einer kleinen Dahabeya nach Philae und hielt sich auch längere Zeit in Theben auf.
Nach seiner Rückkehr 1854 wurde er Assistent am Ägyptischen Museum Berlin und publizierte wie Champollion und Lepsius seine Reiseberichte aus Aegypten, die 1855 erschienen. Von 1857 bis 1858 hielt er sich erneut in Ägypten auf und veröffentlichte anschließend Die geographischen Inschriften altägyptischer Denkmäler.
1864 begründete Brugsch die Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde, die älteste ägyptologische Fachzeitschrift, die noch heute erscheint.
Im gleichen Jahr wurde er zum deutschen Konsul in Kairo ernannt. 1867 gab er sein erstes vierbändiges Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch heraus. Drei weitere Bände folgten.
1868 kehrte Brugsch nach Deutschland zurück, wo er sich aber nur schwer wieder einlebte, und so folgte er 1870 freudig der von Mariette angeregten Aufforderung des osmanischen Vizekönigs von Ägypten, Ismail Pascha, die Leitung der in Kairo errichteten École d'Égyptologie zu übernehmen. Sein Bruder Emil Brugsch begleitete ihn.
1873 wurde Heinrich Brugsch in den Rang eines Bey erhoben. Nach dem Sturz des Vizekönigs 1879 kehrte er zwar nach Berlin Zurück, hoffte aber, als Nachfolger Mariettes zum Direktor des Antikendienstes ernannt zu werden. Den Posten bekam er nicht, erhielt jedoch 1881 den Titel Pascha und nannte sich fortan Heinrich Brugsch-Pascha. Er besuchte Ägypten noch mehrmals, zuletzt 1891/1892, um in staatlichem Auftrag ägyptische Altertümer für die preußischen Museen zu erwerben. Brugsch-Pascha starb 1894 in Berlin. Seinen Sarkophag ziert ein Deckel aus dem Alten Reich.
Nachdruck der [Anzeige] Reiseberichte aus Aegypten, 1855
Nachdruck der Autobiographie [Anzeige] Mein Leben und mein Wandern, 1894
Dokumentarfilm über A. Mariette und die Brugsch-Brüder: [Anzeige] Troja ist überall - Der Siegeszug der Archäologie, Teil 2: Das Versteck der Pharaonen, D 2007
Amelia Edwards (07.06.1831 – 15.04.1892)
Amelia Ann Blanford Edwards begann schon mit 7 Jahren zu dichten, mit 15 veröffentlichte sie ihre ersten Gedichte. Als Jugendliche führte sie das Leben einer Bohèmienne, lebte in einer Wohngemeinschaft, vertrat radikale Ansichten und trug am liebsten Männerkleidung. Ihre Einkünfte als Romanautorin, Dichterin und Journalistin machten es ihr möglich zu reisen. Zusammen mit einer Freundin erkundete sie zunächst unberührte Gegenden in Europa und schrieb Reiseberichte darüber.
Im Winter 1873/1874 bereiste Amelia in Gesellschaft von Freunden Ägypten und war fasziniert. Von Kairo aus segelte sie auf einer Dahabeya den Nil aufwärts bis zum Tempel in Abu Simbel und verbrachte dort 6 Wochen mit Ausgrabungen. Geschockt berichtete sie am Ende dieser Zeit: "Die Wandbilder, die wir die Freude hatten in all ihrer Schönheit und Frische zu bewundern, sind schon stark beschädigt. Das ist das Schicksal jedes ägyptischen Monuments, groß oder klein. Die Touristen ritzen ihre Namen und Daten ein, in einigen Fällen sogar mit Karikaturen. Der Student der Egyptologie wischt mit seinem nassen Schwamm für den Papierabklatsch die Original-Farbe weg. Der „Sammler“ kauft und nimmt alles von Wert, das er bekommen kann, mit und der Araber stiehlt für ihn. Die Zerstörungsarbeit geht weiter. Es gibt niemanden, der es verhindern kann, da ist niemand der sie entmutigt. Jeden Tag werden weitere Inschriften zerstört, mehr Gemälde und Skulpturen enthauptet." Ihr Reisebericht A Thousand Miles up the Nile, illustriert mit 70 Holzstichen nach ihren eigenen Handzeichnungen, erschien 1876 und wurde ein Bestseller.
Wieder zurück in England war sie fest entschlossen, ihren Beitrag zum Erhalt der ägyptischen Altertümer zu leisten. Gaston Maspero und Flinders Petrie wurden ihre Freunde. Als 1879 Naville in einer Zeitung schrieb, dass der ägyptische Staat nicht mehr die Mittel hatte, archäologische Erkundungen zu finanzieren, entwarf sie wild entschlossen, das alte Ägypten in das allgemeine Bewusstsein zu bringen, Pläne für eine Stiftung zur Erhaltung der Monumente und zur Förderung von Ausgrabungen in Ägypten. Sie sammelte Geld in allen Gesellschaftskreisen. Mit dem Vorwand, in Ägypten Spuren für die Authentizität der Geschichten der Bibel finden zu wollen, erhielt sie sogar die Unterstützung der christlichen und der jüdischen Kirche. Allerdings musste sie dafür ihre liberalen Ansichten über Gott und die Welt für sich behalten.
1882 gründete sie mit zwei weiteren Gönnern den Egypt Exploration Fund (EEF), um Ausgrabungen im Nil-Delta zu finanzieren. 1883 bewilligte Maspero zum ersten Mal eine Grabungslizenz an eine ausländische Organisation. Naville leitete die Ausgrabung im Namen des EEF.
Während Amelia stapelweise Berichte über die Forschungsergebnisse verfasste, um weitere Förderer zu gewinnen, wurde sie zunehmend berühmter.
Im Winter 1889/1990 lud man sie nach Amerika ein, um 120 Vorträge zu halten. Sie wurden 1891 unter dem Titel Pharaohs, Fellahs, and Explorers veröffentlicht.
Als Amelia Edwards im April 1892 starb, vermachte sie sowohl ihre große Bibliothek als auch ihre ägyptischen Antiquitäten dem University College London und stiftete 2.500 Pfund für die Einrichtung des ersten englischen Lehrstuhls für Ägyptologie. Nach ihrem Wunsch wurde Petrie der erste Lehrstuhlinhaber.
Online-Faksimile-Ausgabe: A Thousand Miles up the Nile, 2nd ed, 1890
Nachdruck der deutschen Ausgabe: [Anzeige] Tausend Meilen auf dem Nil:
Die Ägyptenreise der Amelia Edwards 1873/74
Online-Ausgabe: Pharaohs, Fellahs, and Explorers, 1891
Online-Faksimile-Ausgabe: Pharaohs, Fellahs, and Explorers, 1892
Joan Rees: [Anzeige] Amelia Edwards -Traveller, Novelist & Egyptologist, 1998
Website der Egypt Exploration Society (früherer Name: Egypt Exploration
Fund)
Amelia B. Edwards: The Great Rock-Cut Temple, Abou Simbel, Nubia, aus: [Anzeige] Tausend Meilen auf dem Nil, 1873/74
Johannes Dümichen (15.10.1833 – 07.02. 1894)
Johannes Dümichen studierte zunächst auf Wunsch seines Vaters Theologie und hörte begleitend Vorlesungen über Ägyptologie bei Karl Richard Lepsius und Heinrich Brugsch, bevor er sich ab 1859 ganz auf die Ägyptologie konzentrierte. Von Oktober 1862 bis April 1865 bereiste er erstmals Ägypten und Nubien und kopierte mit Fleiß und Akribie Inschriften. Als er 1868 mit einer offiziellen Expedition zurückkehrte, konnte er auf Fotografen zurückgreifen, was seine Arbeit erheblich erleichterte. Er veröffentlichte seine gesammelten Ergebnisse in einem zweibändigen Prachtwerk. 1869 und 1875 unternahm er weitere Reisen ins Niltal. Er arbeitete in thebanischen Gräbern, insbesondere im Grabpalast des Padiamenope (TT33), und im Hathor-Tempel von Dendera. Letzteren ließ er freilegen und kopierte anschließend die nun zugänglichen Hieroglyphentexte.
Dümichen starb 1894 in Straßbourg, wo er seit 1872 eine Professur bekleidete.
Online-Faksimile-Ausgabe: Geschichte des alten Aegyptens, 1879
Online-Faksimile-Ausgabe: Bauurkunde der Tempelanlagen von Dendera: in einem der geheimen Corridore im Innern der Tempelmauer aufgefunden und erläuternd mitgetheilt, 1865
PDF-Faksimile-Ausgabe: Der Felsentempel von Abu Simbel und seine
Bildwerke und Inschriften, 1869 ( 1,5 MB)
Online-Faksimile-Ausgabe: Der Grabpalast des Patuamenap in der
thebanischen Nekropolis, Band 1: 1884
Online-Faksimile-Ausgabe: Der Grabpalast des Patuamenap in der
thebanischen Nekropolis, Band 2: 1885
Online-Faksimile-Ausgabe: Der Grabpalast des Patuamenap in der
thebanischen Nekropolis, Band 3: 1894
Theodore M. Davis (07.05.1838 – 23.02.1915)
Davis war Rechtsanwalt. Nachdem er sich von seinen Geschäften zurückgezogen hatte, bereiste er 1899 erstmals Ägypten. Mitreisende auf seiner Dahabeya begeisterten ihn für die Ägyptologie, so dass er sich schließlich um eine Grabungslizenz für das Tal der Könige bemühte. Von 1902-1914 beschäftigte er Archäologen, die für ihn im Tal gruben und in zwölf Wintern 30 Gräber freilegten, darunter KV43 (Thutmosis IV.), KV20 (Thutmosis I./Hatschepsut), KV8 (Merenptah) - diese drei fand Howard Carter -, KV46 (Juja und Tuja), KV2 (Ramses IV.), KV47 (Siptah), KV57 (Haremhab), KV50-KV52 (Tiergräber), KV55 (Echnaton?, Semenchkare?, Teje?, Amenhotep III.?), KV10 (Amenmesse), KV3 (ein Sohn von Ramses III.) und KV7 (Ramses II.). Als ab 1912 nur noch wenige Grabungen Erfolg zeigten, verlor Davis das Interesse und gab seine Grabungslizenz, die dann 1914 Lord Carnarvon zugesprochen wurde, zurück.
Wenn Davis nicht gerade auf seiner Dahabeya unterwegs war, lebte er in einem Grabungshaus, das er 1905 am Eingang zum westlichen Tal der Könige hatte errichten lassen. Carter verwendete es als Lagerhaus, nachdem Davis seine Lizenz zurückgegeben hatte. Inzwischen wurde es mehrfach um- und ausgebaut.
Online-Faksimile-Ausgaben der von Davis herausgegebenen Reihe mit dem Titel:
Mr. Theodore M. Davis' Excavations: Bibân el-Molûk
The Tomb of Thoutmôsis IV, by Howard Carter and Percy E. Newberry,
1904
The Tomb of Siphtah, by Theodore M. Davis, 1908
Nachdruck der Ausgabe 1906: [Anzeige] The Tomb of Hâtshopsîtû, by Édouard Naville
Nachdruck der Ausgabe 1912: [Anzeige] The Tombs of Harmhabi and
Touatânkhamanou, by Theodore M. Davis
Emil Brugsch (24.02.1842 – 14.01.1930)
Emil Karl Albert Brugsch schloss sich 1870 seinem 15 Jahre älteren Bruder Heinrich auf seiner Reise nach Ägypten an und wurde unter Auguste Mariette Konservator am Ägyptischen Museum Kairo. Allerdings nutzte er diese einflussreiche Stelle aus, um sich durch den Verkauf von Mumien zu bereichern. Mariette, ein Freund von Heinrich, drückte lange ein Auge zu, bis er ein Machtwort sprach.
In den nächsten beiden Jahren bildete er Emil zu seinem Assistenten aus und suchte mit ihm nach der vermissten Mumie Ramses II.
1881 bekam die ägyptische Polizei
Informationen über ein Mumienversteck unweit des Tals der Könige, woraufhin Emil, der "kleine Brugsch", am 1. Juli 1881 nach Theben aufbrach. Mariette war im Januar gestorben, Emil war nun Assistent von Maspero. Am 6. Juli 1881 führte ihn Mohammed Abd el-Rassoul, ein Mitglied des legendären Grabräuber-Clans aus Qurna, zu dem 12 m tiefen Schacht in Deir el-Bahari, durch den er zu dem tief unten im Felsstollen liegenden Versteck, zur Königscachette, gelangen sollte. Emil fand dort tatsächlich 36 Särge und über 40 Mumien, u.a. die von Thutmosis III., Sethos I. - und Ramses II. Um weitere Plünderungen zu verhindern, ordnete Brugsch eilig an, alles gleich am 7. Juli 1881 zu verladen. Binnen 48 Stunden hatten 200 Arbeiter sämtliche Funde verpackt und in ein Zwischenlager in Luxor gebracht, von dem aus sie am 11. Juli 1881 mit dem Museumsschiff ins Ägyptische Museum Kairo transportiert werden konnten.
Emil Brugsch starb 1930 in Frankreich, wo er seit 1894, dem dem Tod seines Bruders Heinrich, lebte. 1904 half er dem Okkultisten Aleister Crowley bei der Übersetzung der "Stele der Offenbarung", einer Stele aus der 25. Dynastie, die im Totentempel von Hatschepsut gefunden wurde, im Ägyptischen Museum Kairo die Nummer 666 trug und zu einem zentralen Thema in Crowleys Lehren wurde.
Online-Faksimile-Ausgabe: 20 Fotografien der Funde in der
Königscachette von Emil Brugsch im Buch von Gaston Maspero: La trouvaille
de
Deir-el-Bahari, 1881
Die aegyptischen Königsmumien, Alterthümer und Denkmäler
nach der Natur photographiert von Emil Brugsch-Bey, 1887
Kinofilm über den Fund der Cachette: El-Mumia, 1969 ( Download)
Dokumentarfilm über A. Mariette und die Brugsch-Brüder: [Anzeige] Troja ist überall - Der Siegeszug der Archäologie, Teil 2: Das Versteck der Pharaonen, D 2007
Abtransport der Cachette-Särge: Illustration in den Illustrated London News, 1882
Henri Édouard Naville (14.06.1844–17.10.1926)
Naville studierte in Genf, London, Paris und Bonn, bevor er in Berlin seine Ausbildung bei Lepsius abschloss und mit ihm arbeitete. Er kam erstmals 1865 nach Ägypten und kopierte die Horus-Texte im Tempel von Edfu. Bekannt wurde er durch seine Grabungen im Nildelta, die er ab 1883 für den von Amelia Edwards gegründeten Egypt Exploration Fund durchführte.
Von 1893-1896 legte er mit seinem Assistenten Howard Carter den Totentempel von Hatschepsut in Deir el-Bahari frei. Dessen Dokumentation gilt als Navilles bedeutendste Leistung und war die Grundlage für die bauliche Rekonstruktion des Tempels. 1903-1906 grub er den benachbarten Totentempel von Mentuhotep II. aus. 1910 arbeitete er in Abydos und setzte dort Ausgrabungen am Osireion fort.
Trotz zahlreicher Veröffentlichungen und internationaler Preise wurde Naville (vor allem von Petrie) kritisiert wegen seiner Ausgrabungsmethoden und seines zeittypischen Desinteresses an wertvollen kleineren Gegenständen wie Keramik, Papyri oder Ushebtis, die daher regelmäßig verloren gingen.
Online-Faksimile-Ausgabe: Das ägyptische Totenbuch der XVIII.
bis
XX. Dynastie, 1886
Nachdruck der Ausgabe 1906: [Anzeige] The Tomb of Hâtshopsîtû
Online-Faksimile-Ausgabe: The XIth Dynasty Temple at Deir el-Bahari
(= EEF, vol. 28, 30, 32) 3 Bände, London, 1907-1913
Gaston Maspero (23.06.1846 – 30.06.1916)
Gaston Charles Maspero, Sohn italienischer Einwanderer, studierte Ägyptologie in Paris und wurde bereits mit 23 Jahren zum Professor für Ägyptologie ernannt. 1872 lernte er Auguste Mariette kennen. 1880 reiste er zum ersten Mal nach Ägypten.
Als Mariette 1881 starb, wurde Maspero zu seinem Nachfolger als Direktor des ägyptischen Antikendienstes und des Ägyptischen Museums in Kairo (damaliger Name: Bulaq-Museum) berufen. Er bekleidete diesen Posten bis 1986 und dann wieder von 1899-1914. Er war der erste, der die Kunstwerke im Museum katalogisierte. Sie füllten 50 Bände und wurden veröffentlicht.
In Laufe seines Lebens forschte Maspero in ganz Ägypten. Zusammen mit Emil Brugsch entdeckte er 1881 die ersten Pyramidentexte.
Im selben Jahr fielen ihm verschiedene altägyptische Kunstobjekte aus der 21. Dynastie auf dem Schwarzmarkt auf, und er vermutete, dass sie aus einem unentdeckten Grab stammten. Er fuhr daher im März 1881 für Recherchen nach Theben. Am 25. Juni gab Mohammed Abd el-Rassoul, ein Mitglied des Grabräuber-Clans aus Qurna, zu, dass der Clan seit Generationen das Geheimnis eines Mumienverstecks in Deir el-Bahari hütete. Am 6. Juli 1881 führte er Masperos Assistenten Emil Brugsch zu der Cachette, in der 36 Särge mit Mumien lagen.
Von 1985 bis 1986 sorgte Maspero dafür, dass alle zeitgenössischen Gebäude, die auf und an den Luxor-Tempel gebaut worden waren, abgerissen wurden. 1886 setzte Maspero die Bemühungen von Mariette fort, die Große Sphinx in Gizeh freizulegen, die unter 20 m hohem Sand begraben war. Er führte Eintrittsgelder für die archäologischen Stätten ein, durch die er deren Instandhaltung bezahlte. Was die Ausfuhr von Antiquitäten anging, war er eher pragmatisch: Was er nicht für sein Museum haben wollte, durfte mit seiner Genehmigung außer Landes gebracht werden.
Von 1986-1989 nahm Maspero seine frühere Lehrtätigkeit in Paris wieder auf. 1989 kehrte er auf seinen Posten als Leiter des Antiquitätendienstes zurück. 1902 überwachte er den Umzug des Bulaq-Museums in ein größeres Gebäude, in das heutige Ägyptische Museum und stellte mehr Personal ein, darunter Howard Carter. Er empfahl ihn 1907 Lord Carnarvon, als der nach einem Ausgrabungsleiter suchte. Vor seinem Ruhestand 1914 installierte Maspero 1912 einige Gesetze gegen Plünderer, was seinen Vorgängern im Amt nicht gelungen war. Maspero starb 1916 in Paris und liegt dort begraben.
Nachdruck der Ausgabe von 1882: [Anzeige] Popular Stories of Ancient Egypt
Maspero über den Fund der Cachette: Les momies royales de
Déir
el-Bahari, 1889
Online-Faksimile-Ausgabe: New light on ancient Egypt, 1909
Online-Faksimile-Ausgabe: Egypt: Ancient sites and modern scenes, 1910
Faksimile der Ausgabe von 1913: [Anzeige] Geschichte der Kunst in Ägypten
Online-Faksimile-Ausgabe: Manual of Egyptian Archaeology and Guide to
the Study of Antiquities in Egypt for the Use of Students and Travellers with 342 illustrations, 1914
Flinders Petrie (03.06.1853 – 28.07.1942)
William Matthews Flinders Petrie besuchte aus gesundheitlichen Gründen nie eine reguläre Schule, war aber ein eifriger Leser. 1872 vermaß er zusammen mit seinem Vater die Steinkreise von Stonehenge. 1880 reiste er nach Ägypten, um eine Theorie zu beweisen, dass Zoll und Fuß ursprünglich ägyptische Maßeinheiten waren. Er richtete sich in einem leeren Grab nahe der Großen Pyramide ein und begann mit teilweise selbst gebauten Instrumenten deren Äußeres und Inneres exakt zu vermessen. Das Ergebnis war so genau, dass Petries Zahlen bis heute Gültigkeit haben. Außerdem konnte er die Theorie vom pseudowissenschaftlichen "Pyramidenzoll" widerlegen und wies nach, dass den Abmessungen der Pyramide stattdessen die alte ägyptische Königselle zugrunde lag.
1883 wurde Amelia Edwards auf Petrie aufmerksam, die beiden wurden lebenslange Freunde. Da er keine eigenen Mittel hatte, um Ägypten zu erkunden, entsandte ihn 1883/1884 der von Edwards 1882 gegründete EEF nach Tanis. Die vielen Kunstwerke, die er von seiner Reise mitbrachte und an Museen verkaufte, füllten die Kasse des EEF wieder auf. In der Saison 1884/1885 gruben sowohl Petrie als auch Naville im Auftrag des EEF im Nildelta. Als die beiden 1885 eine heftige Auseinandersetzung hatten, brach der EEF mit Petrie, so dass er sich nach anderen Geldgebern umsehen musste. Zunächst begab er sich nach Assuan, wo er auf der Nilinsel Suheyl Inschriften dokumentierte. 1887 war es wieder Amelia Edwards, die Sponsoren für ihn fand. Er ging ins Fayoum-Becken, um dort in der Nekropole zu graben und fand in Hawara intakte Gräber mit 81 wunderschönen Mumienportraits, bei späteren Grabungen noch einmal 70. In Kahun (= El-Lahun) entdeckte er wichtige medizinische und veterinärmedizinische Papyri.
1891 erhielt Petrie eine Grabungslizenz für Echnatons Palast in Amarna - und hatte ihn innerhalb von 3 Tagen ausgegraben. Er fand einen herrlich dekorierten Fußboden, der heute nur noch in seinen Zeichnungen erhalten ist. 1892 unterstützte ihn wieder der EEF, indem er Howard Carter als seinen Assistenten nach Amarna entsandte. Petrie lernte ihn an und die beiden arbeiteten 4 Monate zusammen. Im Mai 1892 ließ Petrie 160 Kisten mit Fundstücken nach England verladen.
Als Amelia Edwards im 1892 verstarb, stiftete sie Gelder für die Gründung des ersten englischen Lehrstuhls für Ägyptologie. Obwohl Petrie niemals eine Schule, geschweige denn eine Universität besucht hatte, wurde er ihrem Wunsch gemäß berufen und behielt das Amt bis 1933.
1896 kehrte Petrie nach Ägypten zurück und erhielt tatkräftige Unterstützung durch die junge Faksimile-Zeichnerin, die er 4 Jahre zuvor geheiratet hatte. Sie begleitete ihn von nun an und arbeitete mit ihm.
In Theben fand er in den Ruinen des Totentempels von Merenptah die berühmte Israel-Stele. Er erforschte das Gräberfeld hinter dem Tempel von Dendera und arbeitete von 1898-1904 in der Nekropole und dem Tempel von Abydos.
Als 1905 keine Geldmittel mehr vom EEF flossen, da der bereits Naville in Deir el-Bahari unterstützte, gründete Petrie sein eigenes Unternehmen, die British School of Archaeology in Egypt (BSAE), um Geld zu beschaffen und seine Publikationen zu finanzieren. Petrie konnte nun in ganz Ägypten arbeiten. Als Ausgrabungsleiter war er für seine Strenge bekannt. Jede Müßigkeit seitens seiner Arbeiter führte zu ihrer Entlassung. Um zu unterbinden, dass sie die gefundenen Antiquitäten unter der Hand verkauften, zahlte er aber sogar Fundprämien.
1913 verkaufte Petrie seine große Antiquitäten-Sammlung an das University College London (UCL), das schon die Sammlung von Amelia Edwards beherbergte - es führt heute den Namen Petrie Museum of Egyptian Archaeology und besitzt 80.000 ägyptische Objekte mit Schwerpunkt auf der ägyptischen Vorgeschichte, altägyptischen Alltagsgegenständen und Mumienportraits.
1914 fand er in el-Lahun (Fayoum) das geplünderte Grab von Sit-Hathor-Iunet, vermutlich eine Tochter von Senwosret II., und darinnen eine Nische mit Truhen voll von künstlerisch herausragendem Schmuck, die wohl von Grabräubern übersehen worden war. Petrie bot den Schatz dem British Museum an, doch das war nicht interessiert, und so kam die Hälfte des Fundes, die Petrie zustand, ins Metropolitan Museum of Art nach New York, die andere Hälfte befindet sich im Ägyptischen Museum in Kairo.
Am College in London katalogisierte Petrie während des 1. Weltkriegs 1914-1918 die Bestände, bevor er 1919 nach Ägypten zurückkehrte.
Flinders Petrie 1922 in Abydos, © EES
Auf Grund seines inzwischen hohen Alters und der Tatsache, dass der Export von altägyptischen Kunstgegenständen zunehmend auf Widerstand seitens der ägyptischen Regierung stieß, beschloss Petrie 1926, Ägypten den Rücken zu kehren und stattdessen in Palästina zu arbeiten. Als es auch in Gaza Schwierigkeiten gab, zog er 1933 nach Jerusalem, wo er 1942 starb.
Flinders Petrie gilt als Gründer der Archäologie in der Ägyptologie und damit als Vorreiter der modernen Archäologie. Er war der Erste, der systematisch grub und jedem noch so kleinen Fundstück Aufmerksamkeit schenkte. Er war auch 1897 einer der Ersten, der eine Röntgenaufnahme von einer Mumie durchführen ließ. Er fand den prädynastischen Friedhof in Naqada, entdeckte die ältesten Portraits der Welt, beschrieb das Leben der einfachen Menschen im Alten Ägypten und erkannte, dass sich Keramik an Hand ihrer verschiedenen Formen datieren und in eine chronologische Abfolge bringen lässt (Seriation). Petrie veröffentlichte 102 Bücher, darunter seine Autobiografie, 410 Artikel in Fachzeitschriften sowie 388 wissenschaftliche Abhandlungen.
Online-Faksimile-Ausgabe: The Pyramids and Temples of Gizeh, 1883
Online-Faksimile-Ausgabe: Ten Years' Digging in Egypt 1881 - 1891, 1892
Online-Faksimile-Ausgabe: Six temples at Thebes 1896, 1897
Online-Faksimile-Ausgabe: Dendereh 1898, 1900
Autobiographie: [Anzeige] Seventy Years in Archaeology, 1930
Biographie von Margaret Drower: [Anzeige] Flinders Petrie - A Life in Archaeology,
1995
BBC-Dokumentarfilm: The Man who Discovered Egypt, GB 2012
Ernesto Schiaparelli (12.07.1856 – 14.02. 1928)
Schiaparelli entstammte einer Gelehrtenfamilie und studierte Ägyptologie in Turin. Von von 1881 bis 1894 war er Leiter der ägyptischen Abteilung des Museo Archeologico Nazionale in Florenz, ab 1894 Direktor des Museo Egizio in Turin.
1884 war Schiaparelli zu Gast bei den italienischen Franziskanern in Luxor und lernte ihre finanziellen Nöte kennen, die jede karitative Arbeit behinderten. 1886 gründete er daher ein Hilfswerk, um diese Arbeit zu unterstützen.
Zwischen 1903 und 1920 unternahm Schiaparelli als Leiter der italienischen Mission zwölf Expeditionen nach Ägypten. 1904 fand er im Tal der Königinnen das Grab der Nefertari (QV66), 1906 das Grab des Architekten Cha und dessen Gattin Merit (TT8) in Deir el-Medina.
Die Entdeckung von TT8 war eine der größten archäologischen Sensationen in Ägypten. Die Grabkapelle von Cha und Merit in Deir el-Medina war bereits seit Jahren bekannt, doch das Grab war nicht wie üblich direkt darunter. Cha war Architekt für die Gräber im Tal der Könige, also vermutete Schiaparelli einen ähnlich geschützten Standort, als er 250 Arbeiter mit den Ausgrabungsarbeiten in den nahegelegenen Felsen beginnen ließ. Sie wurden schon nach einigen Wochen fündig und gruben ein völlig intaktes Grab mit fantastisch erhaltenen Grabbeigaben auf. Alle Grabgegenstände (bis auf zwei) wurden anschließend ins Museo Egizio in Turin geschafft, wo sie heute ausgestellt sind.
Abtransport der Grabbeigaben von TT8, 1906, Museo Egizio Torino
Statuette des Cha aus TT8, Museo Egizio Torino, © Hans Ollermann
Online-Faksimile-Ausgabe: Il libro dei funerali degli antichi egiziani, 1882
Grabungsberichte: Relazione sui lavori della Missione Archeologica Italiana in Egitto, anni 1903-1920, 1924-1927
Bd. 1: Esplorazione della "Valle delle Regine" nella necropoli di Tebe, 1924
Bd. 2: La tomba intatta dell'architetto Kha nella necropoli di Tebe, 1927
Neuausgabe 2007: [Anzeige] The intact tomb of the architect Kha in the necropolis of Thebes
Beppe Moiso: Ernesto Schiaparelli e la tomba di Kha, 2008
Victor Loret (01.09.1859 – 03.02.1946)
Victor Clement Georges Philippe Loret studierte mit Gaston Maspero an der École des Hautes Études in Paris. 1881 ging er
mit ihm nach Ägypten und arbeitete dort einige Zeit für den Ägyptologen Eugène Lefébure im Tal der Könige. Von 1897 bis 1899 war er Chef der ägyptischen Altertumsbehörde und gründete die Annales du Service des Antiquités de l'Égypt. In den Jahren 1898 und 1899 entdeckte er in kurzen
Abständen die Gräber der Pharaonen Thutmosis I. (KV38), Thutmosis III. (KV34) und Amenhotep II. (KV35), drei der ältesten und wichtigsten Gräber im Tal der Könige. In KV35 fand er in einer Seitenkammer eine Cachette mit 20 Mumien. Darüber hinaus fand er die Gräber KV32, KV33, KV36, KV40, KV41 und KV42.
Lorets Grabungsberichte galten als verschollen, bis sie 2002 wiederentdeckt und von der Università degli Studi di Milano erworben wurden.
Biban-el-molouk, cachette royale. Momie d’Amenhotep II – VdR51, aus: Victor Loret in Egypt, 1898
Online-Faksimile-Ausgabe: La tombe d'un ancien Égyptien, 1887
Online-Faksimile-Ausgabe: Le kyphi: parfum sacré des anciens égyptiens, 1887
Online-Faksimile-Ausgabe: L'Égypte au temps des Pharaons: la vie, la science et l'art, 1889
Online-Faksimile-Ausgabe: La flore pharaonique d'après les documents hiéroglyphiques et les spécimens, 1892
Piacentini, Patrizia: 'Wonderful things' on paper: the Egyptologist Victor Loret in the Valley of the King, in: Apollo, vol. 158, no. 497, July 2003, p. 3ff
Piacentini, Patrizia et al.: Victor Loret in Egypt, 1881-1899. From the Archives of the Milan University to the Egyptian Museum in Cairo, May 19 – June 30, 2008, Cairo, 2008
Francis Llewellyn Griffith (27.05.1862 – 14.03.1932)
Griffith brachte sich schon mit 17 Jahren selbst die Hieroglyphenschrift bei, da es damals noch keinen Lehrstuhl für Ägyptologie in Oxford gab. Er lernte Amelia Edwards kennen, die dafür sorgte, dass Naville ihn 1883 als offiziellen Studenten des EEF zu seinen Ausgrabungen nach Ägypten mitnahm. Auch Petrie freute sich über einen Assistenten, der Hieroglyphen lesen konnte. Bis 1888 war Griffith mit den beiden unterwegs.
1889 schlug Griffith vor, einen epigraphischen Zweig am EEF einzurichten, der innerhalb von zwei Jahren (!) sämtliche Denkmäler in Ägypten als Ganzes aufnehmen sollte, also nicht nur einzelne Malereien und Inschriften. Die Einrichtung des Archaeological Survey of Egypt wurde beschlossen. Griffith legte die Standards für die Dokumentation fest und veröffentlichte die Berichte. Natürlich war das Projekt viel zu umfangreich, als dass es hätte gelingen können, aber man begann mit Beni Hassan und ging 1900 zu Saqqara und Amarna über. Norman de Garis Davies übernahm die zeichnerische Dokumentation.
Griffith bekam 1891 eine Stelle am British Museum, die ihm Zugang zu den Aufzeichnungen von Robert Hay gewährte. Sein besonderes Interesse galt der hieratischen und der demotischen Schrift. Er übersetzte Papyri und zeigte die Entwicklung der Schriften auf. Von 1907-1913 untersuchte er die antiken Stätten im sudanesischen Teil Nubiens und entdeckte dort die Tempel und Pyramiden-Gräber der "schwarzen Pharaonen".
1924 wurde Griffith als erster Professor für Ägyptologie der Universität in Oxford berufen und behielt das Amt bis 1932. 1934 starb er an den Folgen eines Herzinfarktes.
1938 erfüllte die Universität Oxford Griffiths letzten Willen und schuf auf der Grundlage seiner umfangreichen Bücherei, seiner Papyrussammlung, seiner Notizbücher - und mit seinem Schreibtisch - das Griffith Institute.
Online-Faksimile-Ausgabe: A Collection of Hieroglyphs: a contribution
to the
history of Egyptian writing, 1898
Online-Faksimile-Ausgabe: The Sacred Beetle: a popular treatise on
Egyptian scarabs in art and history, 1902
Website des Griffith Institute
Ludwig Borchardt (05.10.1863 - 12.08.1938)
Borchardt studierte 1883-1887 Architektur und Ägyptologie. 1895 ging er im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften nach Ägypten, wo er als Mitglied eines internationalen Rettungsteams für den Tempel von Philae tätig war. 1897 veranlasste er die Arbeiten am General-Katalog des Ägyptischen Museums in Kairo und betreute sie bis 1899.
1899 wurde Borchardt zum Ägyptologischen Attaché am deutschen Generalkonsulat in Kairo ernannt - Deutschland wollte das Feld der Ägyptologie nicht mehr allein den Engländern und Franzosen überlassen. Borchardt sollte altägyptische Raritäten erwerben, durch die die Berliner Museen so berühmt wie der Louvre oder das British Museum werden sollten. 1907 gründete er das Kaiserlich-Deutsche Institut für ägyptische Altertumskunde in Kairo, dessen Direktor er bis zum Ersten Weltkrieg und dann wiederum von 1923-1928 war.
Borchardts Doppelstudium bestimmte seinen Arbeitsschwerpunkt und machte ihn zum Begründer der altägyptischen Bauforschung. Seine Leidenschaft für Astronomie und Mathematik ermöglichte es ihm, das Alter vieler antiker Monumente aufgrund von Sternenkonstellationen berechnen.
Von 1907-1914 war Borchardt für die Deutsche Orientgesellschaft in Amarna tätig, wo zuvor schon John Gardner Wilkinson (1824), Flinders Petrie (1891/1892), Karl Richard Lepsius (1843/1845) und Norman de Garis Davies (1903-1907) gegraben hatten. 1907 tauchten auf dem Antiquitätenmarkt außergewöhnlich schöne Skulpturen auf, die nur aus Raubgrabungen in Amarna, der versunkenen Stadt Echnatons, stammen konnten. Dort fand Borchardt 1912 das Atelier des Bildhauers Thutmosis mit 26 beeindruckend realistischen Skulpturen in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung und aus verschiedenen Materialien - die bis heute größte Sammlung von Amarna-Kunst. Eines der großartigsten Fundstücke war eine Echnaton-Büste - bis Borchardt am 6. Dezember 1912 die berühmte Büste von Nofretete entdeckte!
Damals herrschte in Ägypten noch das Prinzip der Fundteilung zu gleichen Teilen (für Ägypten und das Ausgrabungsland). Borchardt hatte die beiden Teile zusammengestellt: in einem befand sich die "bunte Königin", von ihm vorsätzlich ein wenig mit Gips verunziert, im anderen ein Klappaltar mit Echnaton und Familie, von dem Borchardt wusste, dass Ägypten ihn unbedingt haben wollte. So kam es, dass am 20. Januar 1913 die Nofretete-Büste Deutschland offiziell zugesprochen wurde.
Borchardt hätte seinen Fund aus gutem Grund gerne geheim gehalten, doch 1924 kam es zur ersten öffentlichen Ausstellung der Nofretete-Büste in Berlin. Seitdem streiten sich Deutschland und Ägypten heftig um ihre Rückgabe (s. News vom 25.01.11). Im darauffolgenden Jahr 1925 erhielt Borchardt keine Grabungslizenz mehr für Ägypten. 1933 sah es so aus, als ginge die Büste zum Jahrestag des Regierungsantritts von König Fu'ad I. nach Ägypten zurück, zumindest war dies der Plan von Hermann Göring und Joseph Goebbels. Doch Adolf Hitler untersagte die Rückgabe: "Ich werde den Kopf der Königin niemals aufgeben. Es ist ein Meisterwerk, ein Juwel, ein wahrer Schatz und ich träume davon, dieses Wunder mitten in einem Saal, gekrönt von einer Kuppel, zu platzieren." Und ließ bewiesenermaßen eine exakte Kopie herstellen - für Ägypten?
Jedenfalls ist Nofretete nun genau so im Neuen Museum Berlin untergebracht: im Kuppelsaal - einsam. Doch um die Schöne halten sich hartnäckig Gerüchte. So wird spekuliert, sie sei in den Wirren des Zweiten Weltkriegs gegen eine täuschend echte Kopie ausgetauscht worden. Es wird gemunkelt, es habe nie ein Original gegeben, Borchardt habe die Büste 1912 anfertigen lassen, um seine Karriere zu retten. Dass es sich um eine Fälschung handelt, ist auch die Meinung des schweizerischen Kunsthistorikers Henri Stierlin. Doch alle Fälschungstheorien wurden bisher von Experten als haltlos zurückgewiesen.
Der Fälschungsvorwurf gegen Borchardt kam übrigens nicht von ungefähr. Er gab tatsächlich selbst Kopien in Auftrag, um die Methoden der Kairoer Fälscherwerkstätten kennenzulernen - und sorgte 1927 für einen Skandal, indem er Artefakte in europäischen Museen als perfekte Fälschungen enttarnte.
1931 gründete Borchardt in Kairo sein privates Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde, aus dem 1949 das Schweizerische Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo hervorging. Er starb 1938 auf einer Reise in Paris und wurde in Kairo beerdigt.
PDF-Faksimile-Ausgabe: Die aegyptische Pflanzensäule, 1897 ( 67 MB)
Zur Baugeschichte des Amonstempels von Karnak, 1905
Porträts der Königin Nofret-ete aus den Grabungen 1912/13 in
Tell
el-Amarna, 1923
PDF-Faksimile-Ausgabe des Original-Briefs von Ludwig
Borchardt vom
12.08.1924 zur Fundteilung
( 2,1 MB)
Henri Stierlin: [Anzeige] Le Buste de Néfertiti - une imposture de l'égyptologie?, 2009
Dokumentarfilm über Borchardt und den Fund der Nofretete-Büste: Die Odyssee der
Nofretete,
D 2007
Georges Daressy (19.03.1864 – 28.02.1938)
Georges Émile Jules Daressy war ein französischer Ägyptologe. Seit 1887 arbeitete er im Ägyptischen Museum von Kairo und war verantwortlich für dessen Umzug zuerst 1891 nach Gizeh und dann 1901 an seinen heutigen Standort am Tahrir-Platz. Zudem war er ein wichtiger Autor des Generalkatalogs des Museums.
Daressy war an Grabungen im Tal der Könige (KV6, KV9 und KV38), in Medinet Habu, Karnak, Luxor, Malqata und in Abydos beteiligt.
[Anzeige] Notice explicative des ruines du temple de Louxor, 1893, Nachdruck 2012
[Anzeige] Les Tombes de Moalla, 1895, Nachdruck 2016
[Anzeige] Notice explicative des ruines du temple de Médinet Habou, 1897, Nachdruck 2013
Georges Legrain (04.10.1865 – 22.08.1917)
Legrains Interesse an Ägypten entstand schon früh durch seine Besuche der ägyptologischen Abteilung des Louvre. 1883-1890 studierte er Malerei und Archäologie. 1887 veröffentlichte er zwar bereits einen Artikel über einen demotischen Papyrus, lebte jedoch von seinem Beruf als Kunstmaler. 1892 bekam er die Gelegenheit nach Ägypten zu reisen und für den Franzosen Jacques de Morgan zu arbeiten, der von 1892-1897 den ägyptischen Antikendienst leitete. Der brauchte einen Zeichner, der für seinen Catalogue des Monuments et Inscriptions de l’Égypte die archäologischen Funde dokumentierte.
De Morgan schickte Legrain nach Assuan, Kom Ombo, Edfu und Amarna, wo er so präzise und schnell zeichnete, dass de Morgan ihn schon 1895 zum Aufseher über die Wiederherstellungsarbeiten in der Tempelanlage von Karnak beförderte. 22 Jahre leitete er dort als einziger Europäer vor Ort die Ausgrabung mit bis zu 700 Arbeitern. Seine arabischen Sprachkenntnisse waren ihm dabei sicher eine große Hilfe.
Als 1899 in einer Kettenreaktion 11 der 134 Säulen des Nordflügels der Säulenhalle im Karnak-Tempel einstürzten - die Sandstein-Fundamente waren durch Erosion und salzhaltiges Grundwasser porös geworden und hatten dem riesigen Gewicht der über 20 m hohen Säulen samt Dach nicht mehr standhalten können - musste Legrain neue, eisenverstärkte Fundamente bauen lassen. Als er im Mai 1902 damit fertig war, verstärkte er aus Sicherheitsgründen auch die Fundamente des Südflügels, ohne die Säulen dabei zu entfernen.
1903 fand Legrain bei Ausgrabungsarbeiten im Hof vor dem 7. Pylon des Amun-Tempels die Cachette von Karnak. Innerhalb von vier Jahren brachte er aus dem Schlamm mehr als 700 Statuen aus Stein und ca. 17.000 Objekte aus Bronze aus verschiedenen Zeitaltern ans Licht. In mühsamer Arbeit katalogisierte Legrain die einzelnen Stücke, die mit zu den schönsten gehören, die jemals in Ägypten gefunden wurden. Danach gingen sie an das Ägyptische Museum in Kairo.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte 1914 zum Stillstand der Arbeiten in Karnak. 1915 wurde Legrain Chefinspektor für Oberägypten und begann mit Arbeiten im Tempel von Luxor. Dabei zog er sich eine tödliche Krankheit zu und starb innerhalb von wenigen Tagen in seinem Grabungshaus in Karnak. Er wurde auf dem katholischen Friedhof von Kairo beigesetzt. Seine Aufzeichnungen, die er seit 1901 führte, gingen verloren. Geblieben sind 1.200 Fotografien, die seine Arbeit dokumentieren.
Online-Faksimile-Ausgabe: Louqsor sans les Pharaons, 1914
Online-Faksimile-Ausgabe: Les temples de Karnak, 1929
IFAO (Institut français d’archéologie orientale) und SCA: Datenbank der Karnak-Cachette
Félix Bonfils: Eingestürzte Säulen im Karnak-Tempel, 1899 via memphis.edu
Norman de Garis Davies (14.09.1865 – 04.11.1941)
Eigentlich war Davies Pastor - bis er durch Amelia Edwards und deren EEF in Berührung mit der Ägyptologie kam und seine Stelle aufgab. 1897 schickte der Archaeological Survey of Egypt, eine Abteilung des EEF, Davies als Zeichner für Flinders Petrie nach Dendera, ohne dass er eine entsprechende Ausbildung hatte. Doch er erwies sich als begabt und motiviert, und so folgten bis 1907 weitere Aufträge für Saqqara, el-Scheich Said, Deir el-Gebrawi und Amarna, wo er in der Nekropolen Felsengräber freilegte, auflistete und dokumentierte.
1907 wurde Davies eine Anstellung als Leiter der graphischen Abteilung der Ägypten-Expedition des Metropolitan Museum of Art (MET) in New York angeboten. Der Auftrag lautete, die geschmückten Gräber der Adligen der 18. und 19. Dynastie in Theben-West zu dokumentieren. Davies trat die Reise gemeinsam mit seiner Frau Nina an, die ihn als Künstlerin unterstützte. Die Kopien des Künstlerehepaares sind heute von unschätzbarem Wert, da sie liebevoll und detailliert Farben und Reliefs zeigen, die heute zum Teil verloren sind. Doch sie zeichneten auch Lagepläne der Gräber und Grundrisse. Es ist unglaublich, was die beiden leisteten. Laut Griffith Institute zeichneten sie allein in Theben folgende Gräber (die meisten davon sind heute leider nicht zugänglich):
TT1 (Sennedjem, Deir el-Medina), TT8 (Cha, Deir el-Medina), TT10 (Penbuy und Kasa, Deir el-Medina), TT11 (Djehuti, Dra Abu el-Naga), TT13 (Shuroy, Dra Abu el-Naga), TT16 (Panehesi, Dra Abu el-Naga), TT17 (Nebamun, Dra Abu el-Naga), TT19 (Amenmose, Dra Abu el-Naga), TT22 (Wah und Meriamun, Scheich Abd el-Qurna), TT23 (Tjay, Scheich Abd el-Qurna), TT24 (Nebamun, Dra Abu el-Naga), TT29 (Amenemopet, Scheich Abd el-Qurna), TT38 (Djeserkare-seneb, Scheich Abd el-Qurna), TT42 (Amenmose, Scheich Abd el-Qurna), TT48 (Amenemhet, el-Chocha), TT53 (Amenemhet, Scheich Abd el-Qurna), TT56 (Userhat, Scheich Abd el-Qurna), TT59 (Qen, Scheich Abd el-Qurna), TT62 (Amenemwesechet, Scheich Abd el-Qurna), TT63 (Sobekhotep, Scheich Abd el-Qurna), TT64 (Hekaerneheh, Scheich Abd el-Qurna), TT65 (Nebamun, Scheich Abd el-Qurna), TT67 (Hepuseneb, (Scheich Abd el-Qurna), TT68 ([Per?]Enchmun und Nespaneferher, Scheich Abd el-Qurna), TT69 (Menena, Scheich Abd el-Qurna), TT74 (Tjanuny, Scheich Abd el-Qurna), TT76 (Tjenuna, Scheich Abd el-Qurna), TT77 (Ptahemhet, Scheich Abd el-Qurna), TT78 (Haremhab, Scheich Abd el-Qurna), TT79 (Mencheper, Scheich Abd el-Qurna), TT80 (Thotnefer, Scheich Abd el-Qurna), TT81 (Ineni, Scheich Abd el-Qurna), TT84 (Iamunedjeh, Scheich Abd el-Qurna), TT85 (Amenemheb, Scheich Abd el-Qurna), TT95 (Meri, Scheich Abd el-Qurna), TT96 (Sennefer, Scheich Abd el-Qurna), TT101 (Tjener, Scheich Abd el-Qurna), TT108 (Nebseny, Scheich Abd el-Qurna), TT120 (Anen, Scheich Abd el-Qurna), TT123 (Amenemhet, Scheich Abd el-Qurna), TT125 (Duaerneheh, Scheich Abd el-Qurna), TT131 ([Amen]User Scheich Abd el-Qurna), TT138 (Nedjemger, Scheich Abd el-Qurna), TT139 (Pairi, Scheich Abd el-Qurna), TT143 (Name verloren, Dra Abu el-Naga), TT151 (Hety, Dra Abu el-Naga), TT153 (Name verloren, Dra Abu el-Naga), TT155 (Intef, Dra Abu el-Naga), TT161 (Nacht, Dra Abu el-Naga), TT162 (Qenamun, Dra Abu el-Naga), TT176 ([Amen]Userhat, el-Chocha), TT178 (Neferronpet, el-Chocha), TT179 (Nebamun, (el-Chocha), TT200 (Dedi, el-Chocha), TT207 (Haremhab, el-Chocha), TT215 (Amenemope, Deir el-Medina), TT217 (Ipuy, Deir el-Medina), TT222 (Hekamaatrenacht, Qurnet Murrai), TT249 (Neferronpet, Scheich Abd el-Qurna), TT254 (Mosi, el-Chocha), TT259 (Hori, Scheich Abd el-Qurna), TT260 (User, Dra Abu el-Naga), TT261 (Chaemwaset, Dra Abu el-Naga), TT262 (Name unbekannt, Dra Abu el-Naga), TT276 (Amenemope, Qurnet Murrai), TT277 (Ameneminet, Qurnet Murrai), TT278 (Amenemhab, Qurnet Murrai), TT288 (Bakenchons, Dra Abu el-Naga), TT296 Nefersecheru, el-Chocha), TT297 (Amenemope Tjanefer, el-Asasif), TT333 (Name verloren, Dra Abu el-Naga), TT334 (Name unbekannt, Dra Abu el-Naga), TT349 (Tjay, Scheich Abd el-Qurna).
Und das sind noch nicht alle! Auch in TT52, dem Grab von Nacht, TT55, dem Grab von Ramose und TT100, dem Grab von Rechmire, fertigte das Paar Zeichnungen an.
Norman de Garis Davies: Grab des Nacht (TT52), 1909-1910, Metropolitan Museum of Art
Ab 1912 lebten die beiden während der Wintersaison in einem Grabungshaus in El-Asasif, das das MET für die Expeditionsteilnehmer gebaut hatte (bekannt unter dem Namen Metropolitan House). 1926/1927 arbeiteten sie wieder in Amarna, 1931/1932 in Beni Hassan. Die Zeichnungen, die den Zustand der Gräber und ihre Ausschmückung wiedergeben, wurden in jährlichen Berichten (The graphic work of the expedition) veröffentlicht.
Ab 1939 arbeitete Norman de Garis Davies nur noch vom (englischen) Schreibtisch aus. Er starb 1941 in England. Nina vermachte seine ägyptische Sammlung dem Ashmolean Museum in Oxford und seine Bücher dem University College, London. Seine schriftlichen Unterlagen gingen an das Griffith Institute.
Online-Faksimile-Ausgabe: The Rock tombs of El Amarna, 47 plates, 1905
Online-Faksimile-Ausgabe: The Tomb of Nakht at Thebes, 29 plates, 1917
Online-Faksimile-Ausgabe: Two Ramesside Tombs at Thebes,
42 ill., 1927
The Temple of Hibis in el Khargeh Oasis, Part III, The Decoration, 1953
Lord Carnarvon (26.06.1866 – 05.04.1923)
George Edward Stanhope Montreux Herbert, 5. Earl of Carnarvon, ein weitgereister britischer Aristokrat, verbrachte wegen eines schweren Autounfalls 1901 und der daraus resultierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Winter im warmen Klima Ägyptens. Er begann sich für die Ägyptologie zu interessieren, kaufte ab 1907 wertvolle ägyptische Antiquitäten und suchte nach einem kompetenten Grabungsleiter. Gaston Maspero empfahl ihm Howard Carter und ab 1908 kam es zu einer Zusammenarbeit der beiden.
Carnarvon und Carter suchten gemeinsam an 19 Orten in Deir el-Bahari nach unentdeckten Gräbern. Sie entdeckten Grabanlagen in Dra Abu el-Naga, arbeiteten am Totentempel von Hatschepsut und entdeckten den Totentempel von Ramses IV. in el-Asasif. Weitere Ausgrabungen im Nildelta hatten weniger Erfolg. Eigentlich warteten beide nur auf ihre Chance, im Tal der Könige graben zu dürfen...
Endlich gab Theodore M. Davis 1914 seine Grabungsarbeiten dort auf und Lord Carnarvon übernahm seine Grabungslizenz, die u.a. regelte, was im Falle eines Fundes mit den gefundenen Objekten geschehen sollte: Ausnahmslos alle Objekte aus einem intakten Grab sollten an das Ägyptische Museum in Kairo übergeben werden. Darüber hinaus würden sämtliche Mumien und Särge von Pharaonen, Prinzen und Priestern Eigentum des ägyptischen Antikendienstes bleiben. Alle außergewöhnlichen Funde aus einem Grab, das bereits geöffnet wurde, ebenfalls. Nur alle anderen Objekte sollten nach dem Prinzip der Fundteilung aufgeteilt werden.
Obwohl das Tal als archäologisch ausgereizt galt, glaubte Howard Carter fest daran, dass sich dort noch etwas finden ließ, genauer gesagt: das verschollene Grab des Tutanchamun. Doch dann kam der Erste Weltkrieg. Carnarvon war in England unabkömmlich, sein Familiensitz Highclere Castle diente als Hospital für Offiziere, Carter arbeitete als Dolmetscher in Kairo.
1917 konnten endlich die Grabungsarbeiten beginnen. Während fünf aufeinanderfolgenden Wintern suchte ein Heer von Arbeitern zwischen den Eingängen zu bereits geöffneten Gräbern nach dem Grab von Tutanchamun - ergebnislos. Lord Carnarvon verlor die Geduld und wollte das Projekt aus Kostengründen einstellen, doch Carter überredete ihn im Sommer 1922 zu einer weiteren Grabungssaison.
Am 1. November 1922 begannen 50 Arbeiter auf den Rat von Bernard Bruyère hin unterhalb des Grabes von Ramses VI. zu graben. Am 4. November 1922 fanden sie eine Treppe zu einem Grabeingang. Dort konnte Carter am Siegel erkennen, dass es sich um das Grab einer hochstehenden Persönlichkeit handeln musste. Durch ein in die Tür gebohrtes Loch sah er einen zugeschütteten Gang, füllte den Treppenabgang wieder mit Schutt und telegraphierte seinen Fund an Carnarvon.
Am 24. November 1922 kam Carnarvon mit seiner Tochter und ließ die Stufen wieder freilegen. Ein weiteres intaktes Siegel mit dem Namen Tutanchamuns gab zweifache Gewissheit: über den Grabinhaber und die Unversehrtheit seines Grabes. Nun wurde der Gang freigegraben. Am 26. November 1922 stand Carter vor einer Steintür und durchstieß sie mit einer Eisenstange. Durch das Loch sah er im Kerzenlicht die Vorkammer, die, wie sich später herausstellen sollte, an die 700 Grabgegenstände enthielt. Als Carnarvon Carter fragte: "Können Sie etwas sehen?" antwortete der: "Ja, wunderbare Dinge!" Am 29. November 1922 wurde das Grab von Tutanchamun vor 20 geladenen Gästen offiziell geöffnet und die Nachricht der sensationellen Entdeckung ging um die Welt. Das Grab erhielt die Nummer KV62.
Harry Burton: Die Vorkammer von Tutanchamuns Grab 1922, aus: Harry Burton - Tutankhamun tomb photographs, 1922-1924
Internationale Spezialisten reisten an, um bei der Bergung und Dokumentation des Grabes behilflich zu sein: Archäologen, Konservatoren, Zeichner, Botaniker, darunter auch der Fotograf Harry Burton und der Philologe Alan Gardiner.
Mitte Februar 1923 war die Vorkammer ausgeräumt. Am 17. Februar 1923 baute Carter Stein für Stein die Mauer zwischen Vorkammer und Sargkammer ab. Ein vierfach ineinander verschachtelter Schrein aus massivem Gold nahm fast die gesamte Grabkammer ein.
Harry Burton: Das unbeschädigte Siegel an der Tür zum 2. Schrein 1923, aus: Harry Burton - Tutankhamun tomb photographs, 1922-1924
Von der Grabkammer führte eine Tür in die angrenzende Schatzkammer. Hier befanden sich ein vergoldeter Kanopenschrein mit vier anmutigen Selket-Schutzgöttinnen an jeder Seite, wertvollste Schmuckstücke, Ushebtis, Statuen... und zwei kleine vergoldete Särge mit den Mumien der beiden zu früh geborenen Töchter von Tutanchamun.
Carnarvon reiste am 14. März 1923 nach Kairo ab. Eine Infektion verursacht durch einen Moskitostich ließ ihn immer kränker werden. Carter besuchte ihn am 20. März 1922 und hielt dessen schlimmer werdenden Gesundheitszustand in den folgenden Tagen in seinen Tagebüchern fest. Carnarvon starb am 5. April 1923 an einer Lungenentzündung und sein Leichnam wurde nach England verschifft.
Carnarvons Tod so bald nach dem Betreten des Grabes löste wilde Spekulationen über einen Fluch des Pharaos aus. Carter trat diesen Gerüchten mit Nachdruck aber ohne Erfolg entgegen (er selbst lebte nach der Graböffnung noch über 16 Jahre) und arbeitete nun für Carnarvons Witwe am Grab weiter, die die Grabungskonzession von ihrem verstorbenen Mann übernommen hatte. Sie war es auch, die dessen ägyptologische Sammlung 1926 für 145.000 USD an das Metropolitan Museum of Art in New York verkaufte. Carter hatte die Sammlung im November 1924 katalogisiert und 1.218 Objekte gezählt - darunter befand sich jedoch nichts aus dem Grab von Tutanchamun. Dessen Grabschätze befinden sich gemäß der Grabungslizenz im Ägyptischen Museum Kairo, darunter die berühmte goldene Totenmaske von Tutanchamun.
Goldene Totenmaske von Tutanchamun, © Steve Evans
Online-Faksimile-Ausgabe: Five Years’ Explorations at Thebes,
a record
of work done 1907-1911 by the Earl of Carnarvon and Howard Carter
Online-Faksimile-Ausgabe von Harry Burton's Tutankhamun tomb
photographs: a photographic record in 5 albums containing 490 original
photographic prints representing the excavations of the tomb of
Tutankhamun
and its contents, 1922-1924
Howard Carter (09.05.1874 - 02.03.1939)
Carter wurde aus gesundheitlichen Gründen zu Hause unterrichtet und lernte von seinem Vater zeichnen. Sein Talent verschaffte ihm zunächst eine Stelle im British Museum in London. Im Alter von nur 17 Jahren ging er 1891 für den EEF nach Ägypten und fertigte Zeichnungen in Beni Hassan an. Danach arbeitete er unter Flinders Petrie in Amarna und unter Édouard Naville in Theben im Totentempel von Hatschepsut. In dieser Zeit lernte er die Grundlagen der Ägyptologie und das Lesen von Hieroglyphen.
Gaston Maspero war von Carters Talent angetan und machte ihn 1899 zum Oberinspektor der Altertümerverwaltung von Oberägypten und Nubien. Carter bewohnte ein Grabungshaus in der Nähe von Medinet Habu, das Castle Carter. Ab 1902 beaufsichtigte er für Theodore Davis Grabungen im Tal der Könige. 1903/1904 erforschte er das Grab von Hatschepsut (KV20) und entdeckte das Grab von Thutmosis IV. (KV43). Er ließ Reparatur- und Restaurierungsarbeiten in den Gräbern von Amenhotep II. (KV35), Ramses I. (KV16), Ramses III. (KV11), Ramses VI. (KV19) und Ramses IX. (KV6) durchführen und stattete 1903 sowohl diese Gräber als auch das Grab Sethos I. (KV17) mit elektrischem Licht aus.
1904 wurde Carter nach Unterägypten versetzt. Als es in Saqqara zu einem Zwischenfall mit betrunkenen französischen Touristen kam, die Petries Frau attackierten, gab Carter den ägyptischen Wächtern ausdrücklich die Erlaubnis, gegen die Handgreiflichkeiten einzuschreiten. Das hatte ein Nachspiel, zumal er dem französischen Generalkonsul die geforderte Entschuldigung verweigerte, und Maspero entließ ihn. Nun arbeitslos fristete Carter seinen Lebensunterhalt in Luxor als Aquarellmaler und Dolmetscher.
1908 vermittelte Maspero Carter eine Anstellung als Grabungsleiter bei Lord Carnarvon in Theben und im Nildelta (die Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem Eintrag unter Lord Carnarvon). 1910 finanzierte Carnarvon ein neues Grabungs- und Wohnhaus für Carter in Qurna, das der Anfang 1911 bezog. Das Castle Carter II oder Howard-Carter-Haus wurde nach einer gründlichen Restaurierung im November 2009 als Museum geöffnet. 2022 erfolgte eine erneute Restaurierung.
1914 erhielten Carnarvon und Carter endlich die ersehnte Grabungslizenz für das Tal der Könige, wo sie das bis dahin unentdeckte Grab von Tutanchamun vermuteten. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, in dem sich Carter in Kairo als Dolmetscher verdingte, konnten die Grabungsarbeiten erst 1917 beginnen. Fünf Grabungssaisons verliefen ergebnislos und Lord Carnarvon drohte die Geduld zu verlieren, so dass Carter 1922 anbot, das Projekt aus eigener Tasche weiterzufinanzieren. Carnarvon ließ sich schließlich zu einer weiteren Grabungssaison überreden.
Die Arbeiten begannen am 1. November 1922 und führten binnen kurzer Zeit zur Entdeckung des Grabes von Tutanchamun, wie sie im Beitrag unter Lord Carnarvon ausführlich beschrieben ist. Tutanchamuns Grab wurde am 29. November 1922 vor Augenzeugen offiziell eröffnet.
Harry Burton: Howard Carter mit dem Sarg von Tutanchamun, 1924
Während der Öffnung des Sarkophags im Februar 1924 - der Sarkophagdeckel schwebte zu dieser Zeit an Seilen über dem Sarkophag - verboten Mitglieder der ägyptischen Regierung die Anwesenheit der Frauen der Archäologen im Grab. Carter akzeptierte diese Entscheidung nicht und reagierte mit einem Streik seiner Arbeiter und der Schließung des Grabes - woraufhin man Lady Carnarvon am 20. Februar 1924 die Grabungskonzession entzog und Carter zu einem Aufseher ohne jegliche Befugnis degradierte. Nun durfte nur noch die Regierung Besuchsgenehmigungen für das Grab ausstellen. Lady Carnarvon musste alle vierzehn Tage Bericht über ihre Aufenthalte im Grab erstatten und ein Verzeichnis aller Grabgegenstände anfertigen lassen.
Im Januar 1925 nahm Carter die Arbeiten in KV62 wieder auf - sie würden erst 1932 abgeschlossen sein - und katalogisierte akribisch alle Grabobjekte, 5.398 an der Zahl.
Carter hatte vielfach behauptet, das Grab bereits geöffnet vorgefunden zu haben. Er wollte damit wohl verhindern, dass der gesamte Grabschatz in Ägypten bleiben würde, wie es für den Fall des Fundes eines unversehrten Grabes in der Grabungslizenz festgelegt worden war. Doch er hatte damit keinen Erfolg. Lord Carnarvons Familie erhielt 35.867 Pfund Sterling als Ausgleich für die Grabungskosten, Carter selbst ein Viertel der Summe. Der Grabschatz befindet sich im Ägyptischen Museum in Kairo, der Sarkophag, der äußere der drei Särge und die Mumie Tutanchamuns blieben in ihrem Grab im Tal der Könige - bis im Juli 2019 auch der äußere Sarg abtransportiert wurde.
Grabkammer von KV62 mit dem Sarkophag Tutanchamuns bis Juli 2019, © Francis Dzikowski
Carter starb 1939 in London. Ein Teil seiner Antiquitätensammlung und sein Ausgrabungsjournal gingen an das Ägyptische Museum in Kairo. Die meisten Unterlagen zu seinen Arbeiten am Grab Tutanchamuns einschließlich der Fotos von Harry Burton befinden sich im Griffith Institute in Oxford. Im Nachlass Carters befand sich eine kleine Anzahl von Stücken, die ohne Zweifel aus dem Grab von Tutanchamun stammten, von denen aber nicht klar war, ob sie Carnarvon oder Carter "gehört" hatten. Carters Nichte und Erbin schickte sie am 12. Oktober 1946 nach Kairo zurück.
Online-Faksimile-Ausgabe: The tomb of Thoutmôsis IV, 1904
Online-Faksimile-Ausgabe: Five Years’ Explorations at Thebes,
a record
of work done 1907-1911 by the Earl of Carnarvon and Howard Carter
Faksimiles von Carters handschriftlichen Grabungsjournalen und Tagebüchern sowie ihre lesbare Umschrift: Excavation journals and diaries, 1922-1930
Online-Faksimile-Ausgabe von G. Elliot Smith: Tutankhamen and the
discovery of his tomb by the late Earl of Carnarvon and Howard Carter, 1923
The tomb of Tut-Ankh-Amen, 3 Bd., 1923–1933
T. G. H. James: [Anzeige] Howard Carter - The Path to Tutankhamun, 2006
Audiobook des Romans von Philipp Vandenberg über Howard Carter: [Anzeige] Der König von Luxor, 2010
Dokumentarfilm: Howard Carter - Die Jagd nach Tutenchamun, D 2006
Harry Burton (13.09.1879 – 27.06.1940)
Harry Burton, damals schon bekannt als talentierter Fotograf von Gemälden, traf in Florenz Theodore M. Davis. Davis besaß eine Grabungslizenz für das Tal der Könige in Theben und stellte Burton 1910 als Fotograf ein, später sogar als Grabungsleiter.
Nachdem Davis seine Lizenz 1914 aufgegeben hatte, arbeitete Burton als Fotograf der Ägypten-Expedition des Metropolitan Museum of Art (MET) New York. Er dokumentierte für Herbert E. Winlock den Fund des Grabes von Nany (TT358) und des Grabes von Meritamun (TT358). 1922 lieh das MET Burton an Carnarvon und Carter für die Dokumentation des Grabes von Tutanchamun aus.
Acht Jahre verbrachte Burton damit, die Grabfunde durch Hunderte von Fotografien zu dokumentieren. Sie machten ihn berühmt. Ein Satz seiner Negative wird im MET aufbewahrt, ein anderer im Griffith Institute in Oxford.
Harry Burton blieb in Ägypten und starb 1940 in Assiut.
Online-Faksimile-Ausgabe: Tutankhamun tomb photographs: a photographic record in 5 albums containing 490 original photographic prints representing the excavations of the tomb of Tutankhamun and its contents, 1922-1924
Alan Gardiner (29.03.1879 – 19.12.1963)
Sir Alan Henderson Gardiner zählt zu den bedeutendsten britischen Ägyptologen. Nach Abschluss der Schule ging er nach Paris, um bei Maspero Ägyptologie zu studieren, war aber unzufrieden und kehrte nach England zurück, um in Oxford Hebräisch und Arabisch zu studieren.
1901 wechselte Gardiner nach Berlin und arbeitete an der Erstellung eines Wörterbuchs der ägyptischen Sprache mit. 1927 erschien sein erstes eigenes Buch, eine ägyptische Grammatik, die neben einem englisch-ägyptischem und einem ägyptisch-englischem Wörterbuch auch die berühmte Gardiner-Liste enthielt: eine Zusammenstellung der 763 wichtigsten Hieroglyphen, gegliedert in 26 Untergruppen wie "Der Mann und seine Beschäftigungen", "Die Frau und ihre Beschäftigungen", "Teile des menschlichen Körpers", "Teile von Säugetieren", "Teile von Vögeln", "Bäume und andere Pflanzen", "Möbel", "Gebäude"...
Gardiner wurde 1948 zum Ritter geschlagen.
Online-Faksimile-Ausgabe: A topographical catalogue of the private tombs of Thebes, 1913
[Anzeige] Egypt of the Pharaohs: an introduction, 1961
Hieroglyphen im Tempel von Medinet Habu, © Leben in Luxor
Bernard Bruyère (Franzose, 10.11.1879 – 04.12.1971)
Der französische Ägyptologe Bernard Bruyère stammte aus einer Soldatenfamilie. Während seiner Studienzeit an der École du Louvre entdeckte er seine Leidenschaft für Ägypten und unternahm 1910 erstmals eine Studienreise. Er blieb bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs und kehrte danach wieder zurück. Ab 1921 widmete er sein Leben den vom Institut français d’archéologie orientale (IFAO) finanzierten Ausgrabungen in Deir el-Medina. Er erforschte das gesamte Gelände in den Jahren von 1921 bis 1951 und publizierte seine Funde ausführlich. 1922 entdeckte er TT290, das Grab von Irinefer. Es heißt, dass er im Oktober desselben Jahres dem verzweifelten Howard Carter, als der ihn besuchte, vorschlug, am Fuß des Grabes von Ramses VI. (KV9) nach dem Grab von Tutanchamun zu suchen, wo er es dann tatsächlich auch fand. Bruyère entdeckte sehr viele Gräber in Deir el-Medina, darunter auch 1927 das Grab von Inherkau (TT299).
Bernard Bruyère's Archives (1879-1971)
Nina de Garis Davies (06.01.1881 - 21.04.1965)
Nina wurde in Griechenland als Kind englischer Eltern geboren. Als sie 1906 nach Alexandria reiste, lernte sie Norman de Garis Davies kennen. Die beiden heirateten ein Jahr später und reisten sofort nach Theben, wo Norman seine neue Arbeitsstelle bei der Ägypten-Expedition des New Yorker Metropolitan Museum of Art (MET) antrat.
Gräber waren oft sehr klein und niedrig, sie konnten daher für Fotografien nicht optimal ausgeleuchtet werden. Zum Teil waren darauf auch störende Schatten zu sehen, die das Lesen der Hieroglyphen-Inschriften erschwerten. Das bedeutete: Maler und Zeichner waren gefragt, denn nur sie konnten die Hieroglyphen exakt wiedergeben. Auch die Tatsache, dass die ägyptische Regierung 1912 unter Maspero den Papierabklatsch verboten hatte, um die Wandmalereien zu schützen, erhöhte den Bedarf an Kopisten.
Nina begann 1908 (unentgeltlich) mit Zeichnungen im Grab von Djehuty (TT45) in Scheich Abd el-Qurna. Zuerst befestigte sie Kopierpapier an den Wänden und zeichnete alles mit Bleistift ab. Dann übertrug sie diese Kopie auf das ausgewählte Papier, und schließlich experimentierte mit geeigneten Farben - meist verwendete sie eine Mischung aus Ei, Leinöl, Wasser (Ei-Tempera) und Farbpigmenten. Beschädigte oder fehlende Teile eines Bildes gab sie nicht als "weißen Fleck" wieder, sondern ergänzte diese Stelle gut erkennbar in verwaschener Farbe. Risse in der Wand zeichnete sie sorgfältig ein. Alan Gardiner sah Ninas Arbeiten und war so beeindruckt, dass er mit ihr 1909 vereinbarte, so viele Bilder von ihr zu kaufen, wie ihm finanziell möglich war.
Mit der Saison 1913/1914 gelang es Davies, seine Frau als Teilzeitkraft für das MET anzustellen. Von 1915-1933 veröffentlichten die beiden ihre Zeichnungen in 5 Bänden der Theban Tombs Series (TTS) des EEF und von 1912-1927 in 5 Bänden der Robb de Peyster Tytus Memorial Series (RPMS) des MET. Obwohl ihre Zeichnungen nur in Schwarz-Weiß wiedergegeben waren, ernteten sie viel Anerkennung. 1927 gelang es Gardiner, einen Finanzier für den Druck von Ninas Zeichnungen in Farbe zu finden: den Amerikaner John D. Rockefeller jr. 1936 erschienen 104 großformatige Zeichnungen in 2 Bänden zusammen mit einem 3. Band mit Texten.
1939 ging das Ehepaar nach England zurück. Nach Normans Tod 1941 sichtete Nina ihre umfangreichen ägyptischen Aufzeichnungen und stellte sie für Publikationen zusammen. 1951 reiste sie noch einmal nach Ägypten, um im Ägyptischen Museum in Kairo ihre Zeichnungen einer Truhe aus dem Grab von Tutanchamun zu vollenden, bei dessen offizieller Eröffnung 1922 sie und Norman geladen waren. Nina starb 1965 in England.
Tutanchamuns Truhe (JE 61467) im Ägyptischen Museum Kairo via Egypt Museum
Das New Yorker Metropolitan Museum of Art besitzt eine unvergleichliche Sammlung von ägyptischen Faksimile-Grabmalereien des Ehepaars, die auf der Website des MET abgebildet sind: über 150 von Nina und ca. 50 von Norman. Bei einigen weiteren Bildern ist die Urheberschaft wegen derselben Vornamen-Initialen nicht eindeutig.
Ancient Egyptian Paintings,
3 Volumes (Special Publication of the Oriental
Institute of the University of
Chicago), 1936
Egyptian tomb paintings, from originals mainly of the 18th dynasty, 1958
Deutsche Ausgabe: Ägyptische Wandmalerei. Nach Originalen, meist aus der 18. Dynastie, 1959
Nina de Garis Davies: Beerdigungszug im Grab des Ramose (TT55), 1930, Metropolitan Museum of Art
Herbert E. Winlock (01.02.1884 – 26.01.1950)
Herbert Eustis Winlock studierte an der Harvard University Archäologie und Anthropologie bei Albert M. Lythgoe. 1906 schloss er sein Studium ab. Im selben Jahr entschloss sich das Metropolitan Museum of Art (MET) zu einer Ägypten-Expedition und Lythgoe, der damals erster Kurator für Altägyptische Kunst am Museum of Fine Arts in Boston war, lud ihn ein daran teilzunehmen.
Als das MET eine Grabungskonzession für die Nekropole von el-Lisht bei Kairo erhielt, gehörte Winlock zum Team.
1907 fanden die Ausgräber dort nahe der Pyramide von Amenemhet I. das unbeschädigte Grab von Senebtisi, einer Frau aus der 12. Dynastie, samt Grabschmuck.
Im Winter 1907 erhielt das MET eine Konzession für die Oase Charga. Winlock arbeitete von 1908-1910 in el-Bagawat und im Hibis-Tempel. Norman de Garis Davies kopierte später die Reliefs und Inschriften des restaurierten Teil des Tempels.
Als das MET 1910 eine Grabungslizenz für Malqata erhielt, überzeugte Winlock Maspero, sie auf Qurnet Murrai und el-Asasif auszudehnen. Ab 1912 war er Leiter der Expedition und legte Palastteile frei, die vorher noch nicht entdeckt worden waren: den Nord-Palast, Privathäuser, eine Glasfabrik, eine große Festhalle und einen Amun-Tempel. In einem Haus fand er 2 wunderschöne Menit-Amulette.
Während des Ersten Weltkriegs diente Winlock in der amerikanischen Armee. Im Winter 1919 ließ er eine flache Plattform am Berg von Scheich Abd el-Qurna freiräumen, die zum bereits vorher bekannten Felsengrab von Meketre (TT280), einem hohen Beamten unter Mentuhotep II., führte. Dort entdeckte er einen versiegelten Keller (Serdab) mit ungewöhnlichen Grabbeigaben: 24 hölzerne Miniaturen, die alle Aspekte aus Meketres Leben nachbildeten und außerordentlich gut erhalten waren, einschließlich der Leinengewänder, die man ihnen angezogen hatte. Die Figuren zeigen die Aufzucht, Schlachtung und Zählung von Vieh, das Lagern von Getreide, die Herstellung von Brot und Bier und die Form verschiedener Boote im Mittleren Reich (Abbildungen hier). Gemäß der üblichen Fundteilung gingen 12 Miniaturen an das MET, 12 an das Ägyptische Museum in Kairo.
Harry Burton: Das Grab von Meketre, 1919
Rechts vom Eingang zu Meketres Grab fand Winlock eine weitere - kleine - Grabkammer (TT22) mit dem unversehrten Holzsarg von Wah, einem Laib Brot, einem Krug mit eingetrocknetem Bier und den vertrockneten Überresten eines Rinderbeins. Als das MET die Mumie 1939 röntgen ließ, zeigten sich dunkle Schatten im Bild, die auf Schmuck hinwiesen, und man wickelte die Mumie aus. Sie trug wundervolle Schmuckstücke.
1921/1922 entdeckte Winlock Gräber am Nordhang oberhalb des Totentempel von Mentuhotep II.: TT311 (Chety), TT313 (Henenu), TT314 (Horhotep), TT315 (Ipi) und TT316 (Neferhotep) aus der 11. Dynastie. 1923 fand er ein Massengrab mit den Mumien 60 gefallener Soldaten (MMA507).
Im Januar 1929 beauftragte Winlock seine Arbeiter verdächtig wirkende Schutthaufen am Berghang hinter dem Totentempel von Hatschepsut in Deir el-Bahari abzutragen. Am 23. Februar 1929 fanden sie darunter ein rohes Loch im Felsen, das sie weiter öffneten. Harry Burton hielt alles in Fotografien fest. Am 28. Februar 1929 stieg Winlock hinab. Hinter einer Ziegelwand fand er ein 12 m langes Grab mit Ushebtis und Körben. Am 3. März 1929 war der Grabeingang geräumt und Winlock sah geöffnete Särge, aber eine intakte Mumie. Ihr Begräbnis war offenbar gestört worden. Ein Abgrund in der Nähe legte die Vermutung nahe, dass die eigentliche Grabkammer dahinter lag. Das Grab, das die Nummer TT358 erhielt, gehörte Nany. Bei der Mumie befand sich eine schön geflochtene Perücke aus Menschenhaar, auf ihr lagen Blumengirlanden. Als sie 1930 untersucht wurde, stellte sich heraus, dass es sich bei Nany um eine Frau handelte, die mit 70 Jahren gestorben war. Sie war Sängerin zu Ehren des Gottes Amun-Re.
In einer einfachen, 63 cm hohen Osiris-Figur fand Winlock einen ausgesprochen gut erhaltenen Papyrus. Der Papyrus Nany wurde im MET von Fachleuten ausgerollt: er hat eine Länge von 5,21 m und enthält 14 Kapitel des Ägyptischen Totenbuchs zum Teil als illustrierten Text, zum Teil in Form von Abbildungen mit wie neu wirkenden Farben.
Papyrus Nany: Seite aus dem Ägyptischen Totenbuch - Das Totengericht, Metropolitan Museum of Art
Winlock überbrückte den Abgrund mit Brettern. Auf der anderen Seite des Schachtes entdeckte er das Grab der Meritamun mit ihrer Mumie und deren Särgen. Die Inschrift besagte, dass sie des Königs Große Gemahlin war, doch bis heute ist man sich nicht sicher, um welchen Pharao es sich dabei handelte. Man vermutet, dass sie die Schwester und Gemahlin von Amenhotep I. war. Winlocks Untersuchungen zeigten, dass die Särge all ihrer Reichtümer beraubt und danach wieder aufgearbeitet worden waren. Er glaubte, dass sie ursprünglich so prächtig waren wie die von Tutanchamun.
Da Meritamun eine ägyptische Königin war, sollte ihre Mumie nach Kairo gebracht werden, denn das Museum hatte entschieden, dass königliche Körper nicht den Blicken von Neugierigen ausgesetzt werden sollten. Die Särge gingen ebenfalls an das Ägyptische Museum in Kairo.
Die Weltwirtschaftskrise von 1929 hatte auch Auswirkungen auf die Expedition des MET und die zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Als Winlock 1932 angeboten wurde, Direktor des MET zu werden, nahm er schweren Herzens die Stelle an, obwohl er ein Mann für die Feldarbeit war. Zusätzlich übte er das Amt des Kurators der Ägyptischen Abteilung des Museums aus. Er starb 1950 in Venice.
Online-Faksimile-Ausgabe: The Tomb of Senebtisi at Lisht, 1916
PDF-Faksimile-Ausgabe mit vielen Fotos von Harry Burton: The Tomb of
Queen Meryetamun,
in: The Metropolitan Museum of Art Bulletin, Dezember
1930 ( 3,5 MB)
Originaltext von Winlock von 1941 in: [Anzeige] Tutankhamun's Funeral (Metropolitan Museum of Art), 2010