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Leben in Luxor Autorenforum: Ancient Egypt meets Street Art - Der Künstler Alaa Awad aus Luxor
von Claudia Ali, 25.05.13; überarbeitet am 10.12.14
Murales - Murals - Graffiti - Street Art - Straßenkunst
Es geschah in den 1920er Jahren nach der Revolution an prestigeträchtigen öffentlichen Gebäuden in Mexiko, seit 1969 während des Nordirlandkonflikts auf den Friedensmauern ("Peace lines") in Belfast und während und nach der Revolution 2011 auf Mauern, Barrikaden, Hauswänden und Wachhäuschen in Ägypten, vor allem in Kairo: Revolution bringt Kunst hervor. Genauer gesagt Straßenkunst, sogenannte Murales (spanisch) oder Murals (englisch) - öffentliche Wandmalereien mit großflächigen zusammenhängenden Motiven und politischen, sozialkritischen oder historischen Inhalten. Gemalt mit Spraydosen, Pinseln und Malerrollen.
Wandmalereien haben in Luxor eine jahrtausendealte Tradition: Sie sind zu finden an Grab-, Tempel- und Palastwänden, wo sie religiöse Themen zum Inhalt haben oder Nillandschaften und kriegerische Szenen zeigen. Im 19. Jahrhundert entstanden die sogenannten Hadsch-Malereien: farbenfrohe Wandbilder, mit denen Mekka-Pilger nach ihrer Rückkehr ihre Hauswände schmücken ließen - diese islamische Kunstform gibt es nur in Oberägypten. Ähnlich bunt und liebevoll gemalt sind die Wände von Alabaster-Fabriken in Qurna, einem Dorf auf der Westbank von Luxor.
Hausfassade in Qurna - ein Mix aus Hadschmalerei und altägyptischen Motiven
Der Künstler Alaa Awad
Alaa Awad ist einer der jungen ägyptischen Street-Art-Künstler. Er wurde am 23. Dezember 1981 geboren und stammt ursprünglich aus Mansoura. 2004 promovierte er an der Kunstakademie in Luxor, wo er als Dozent im Department of Mural Painting lehrt. Nach Ausbruch der Ägyptischen Revolution am 25. Januar 2011 nahm sich der 31-jährige eine Auszeit und begann im November 2011 gemeinsam mit anderen Künstlern in Kairo, Mauern zu bemalen. Das Einzigartige an seiner Form der Straßenkunst: Sie erinnert an das glorreiche pharaonische Erbe Ägyptens. Sie beschwört Ägyptens ureigene Identität, indem sie traditionelle Motive aus Tempeln und Gräbern in Luxor akkurat aufgreift und in Bezug zur Gegenwart setzt.
Foto: Street-Art-Künstler Alaa Awad, © Videofilm "The Art of Narrating the Egyptian Revolution: An Interview with Alaa Awad"
"Ich war schon immer beeindruckt von der pharaonischen Kunst. Alle meine Wandbilder sind von der altägyptischen Kunst inspiriert, wenn auch mit einer abgewandelten und zeitgemäßeren Stimmung", sagt Alaa und: "Wir können unsere Zukunft nicht erkennen, wenn wir unsere Vergangenheit vergessen."
Alaas neo-pharaonische Murals in Kairo beeindrucken durch ihre Symbolsprache. Die mythologischen Gestalten symbolisieren Gut und Böse, Recht und Unrecht, Freiheit und Knechtschaft. Alaas Wandgemälde sind dynamisch, kühn und herausfordernd. Durch den aktuellen Kontext wirken sie noch aufwühlender, bedeutungsvoller und ergreifender als ihre Vorbilder. Bei den Passanten, die diese "Open-Air-Galerie" entlang von Kairos Straßen gezielt oder zufällig betreten, schaffen sie ein Bewusstsein für die Missstände in der Gesellschaft.
Alaa Awad bei der Arbeit, © Angie Balata
Die Street-Art-Gemälde auf den Mauern der Straßen rund um den Tahrir-Platz wurden mehrfach auf Befehl der Regierenden mit weißer Farbe übertüncht, doch die Künstler zogen unverdrossen wieder aus, um neue, aktualisierte und verfeinerte Mauerbilder zu schaffen. Dennoch bleibt die Street Art eine vergängliche Kunst. Nicht nur Widersacher können sie verunstalten oder vernichten. Auch andere Künstler haben das Recht, sie zu verändern, mit eigenen Bildern zu übermalen oder zu aktualisieren. Interessanterweise liegt aber gerade darin per Wikipedia-Definition der Unterschied zwischen (wortbetonten) Graffiti und (bildbetonter) Street Art: Letztere ist dafür gedacht, dauerhaft erhalten zu bleiben.
Mohammed Mahmoud Street in Kairo: Übertünchungsaktion im Januar 2012, © Mona Abaza
Alaa Awad hätte seine Werke gerne geschützt und mit einer Lasur versiegelt - weniger um sie für die Nachwelt zu erhalten denn als stete Erinnerung an die Ziele der Revolution. Auf einer Tagung der American University in Cairo (AUC) am 2. April 2012 mit dem Titel “Visualizing Revolution: The Epic Murals of Tahrir" löste Alaa eine heftige Kontroverse unter seinen Kollegen aus. Obwohl die AUC, auf deren Mauern sich die Murals befanden, zustimmte, seine Wandbilder zu fixieren, wurden sie unter anderem von Ammar Abu Bakr mit der Begründung, der öffentliche Raum müsse allen zugänglich bleiben, mit großen arabischen Lettern übermalt - bevor im September 2012 alles endgültig unter einer Farbschicht verschwand.
Alaa Awad beim Fixieren eines Murals in der Mohammed Mahmoud Street in Kairo, © Ebony Coletu
Die Motive von Alaas Murals stammen zwar aus "Häusern der Ewigkeit", sind selbst aber alles andere als ewig. Doch letztendlich kennen wir sogar das von den Pharaonen: dass Reliefs von Vorgängern ausgemeißelt, Hieroglyphen ersetzt und Malereien überpinselt wurden, um sie durch die eigenen Schriftzüge zu ersetzen und so Vergangenheit und Gegenwart symbolisch zu vereinen.
Alaa Awads von Ammar Abu-Bakr übermaltes Mural in der Mohammed Mahmoud Street in Kairo ,© unbekannt
Alaa Awads "Gazellen" am Tahrir-Platz - im Original, © Mia Gröndahl, & übermalt im Januar 2013, © Jungle Julie
Werke und Motive von Alaa Awad
Einige der wunderbarsten Murals von Alaa existieren also nicht mehr an den Mauern von Kairo. Erhalten blieben sie uns jedoch in Fotografien und Filmen.
Zusammen mit seinen Künstlerkollegen Ammar Abu Bakr und Hanaa El Deighem schuf Alaa Awad ab Ende Februar 2012 innerhalb von 3 Wochen großflächige Gemälde an der 30 Meter langen, frisch übertünchten Mauer der Mohammed Mahmoud Street in Kairo.
Hanaa El Degham, Alaa Awad und Ammar Abu Bakr, © Sam Khedr
In einer Bilderabfolge von rechts nach links beginnend am Tahrir-Platz erzählten die Murals eine Geschichte. Sie begann damit, dass Menschen in Gestalt von Katzen ihrem Herrscher - dargestellt als eine Maus - Opfergaben brachten. Eine verkehrte Welt, die ihr Vorbild auf im Arbeiterdorf von Deir el-Medina gefundenen satirischen Ostraka und Papyri hatte:
Papyrus mit Karikatur aus Deir el-Medina: Eine Katze wird von Mäusen bedient, © Robert B. Partridge
Hinter der Katze in Alaas Mural knieten Angehörige fremder Völker mit Geschenken und Tributzahlungen. Sie sind wie in alten Zeichnungen und Reliefs an ihrer Kleidung, ihrer Haartracht und Bärte sowie an den Geschenken selbst als Ausländer zu erkennen:
Alaa Awad: Mural in der Mohammed Mahmoud Street in Kairo, © BBC
Die nächste Szene stammte von Ammar Abu Bakr und zeigte Mubaraks Familie vor Gericht. Darauf folgte eines der beeindruckendsten Straßengemälde von Alaa Awad. Es zeigte eine Prozession von Frauen. Die Schriftrollen in ihren Händen standen für ihre Forderungen an die Herrschenden. Alaa honorierte damit den Mut und die Entschlossenheit der Frauen während der Revolution.
Alaa Awad: Mural in der Mohammed Mahmoud Street in Kairo, © unbekannt
Das Bild links davon war einer Szene aus dem Ramesseum, dem Totentempel von Pharao Ramses II. auf der Westbank von Luxor, nachempfunden. Frauen erkletterten eine Leiter, die in den Himmel führte und die Revolution symbolisierte. Die Frauen waren unbekleidet - diese Darstellung erteilte dem Wahhabismus, einem erzkonservativen Zweig des Islams, der in Saudi-Arabien praktiziert wird, eine klare Absage.
Alaa Awad: Mural in der Mohammed Mahmoud Street in Kairo, © Ebony Coletu
Hier das Original-Relief am 2. Pylon im Ramesseum, das den Kampf von Soldaten mit Leiter und Schilden gegen die Hethiter in der Schlacht von Qadesh um 1274 v. Chr. zeigt:
Original-Motiv im Ramesseum: Schlacht von Qadesh, © Leben in Luxor
Auf großformatige Märtyrer-Portraits von Ammar Abu Bakr folgten Alaa Awads trauernde Frauen mit schwarzen Blumen. Sie nahmen einen Gefallenen (dargestellt mit einem Schablonenbild = Stencil) in ihre Mitte und standen vor dem Tor von Osiris (links), das der Tote auf seiner Reise ins Jenseits passieren muss:
Alaa Awad: Mural an der Mauer der Bibliothek der American University in Cairo, © Kate Durham
Alaas links anschließende Begräbnisprozession hat die berühmte Szene der klagenden Frauen aus dem Grab von Ramose (Luxor Westbank) zum Vorbild:
Trauernde im Grab von Ramose (TT55), Scheich Abd el-Qurna, Luxor Westbank, © Leben in Luxor
Hier die Version von Alaa: Die Frauen wehklagen und werfen sich nach alter ägyptischer Tradition Erde auf das Haupt. Auf dem Sarg eines jungen Märtyrers sitzt der Ba-Vogel, der seine Seele repräsentiert:
Alaa Awad: Mural an der Mauer der Bibliothek der American University in Cairo, © Mia Gröndahl
In einer weiter ausgearbeiteten (und zum Teil bereits übermalten) Version des Bildes wird der Ba-Vogel von der Himmelsgöttin Nut mit Kerzen im Jenseits willkommen geheißen:
Alaa Awad: Mural an der Mauer der Bibliothek der American University in Cairo, © Mia Gröndahl
Wie gesagt - diese Murals von Alaa Awad existieren nicht mehr, doch er kehrte zurück und schuf neue Wandbilder, deren Stil sich jedoch von den früheren unterschied. Nun flossen auch islamische Elemente in seine pharaonisch geprägte Kunst ein.
Eines seiner altägyptischen Motive ist nahezu an jedem Tempel in Luxor zu sehen: das Erschlagen der Feinde durch den herrschenden Pharao. Schon eines der ältesten erhaltenen ägyptischen Kunstwerke, die Prunkpalette von Narmer aus der 1. Dynastie, zeigt den König in der typischen Pose mit Ausfallschritt und der mit einer Waffe erhobenen Hand, während die andere die Haarschöpfe der dem Tod geweihten Feinde hält:
Das Erschlagen der Feinde auf dem 2. Pylon in Medinet Habu, © Leben in Luxor • Narmer-Palette, 1. Dynastie
Bei Alaa trägt der Pharao eine unnatürlich wirkende grüne Hautfarbe. So wurde einerseits der junge altägyptische Gott Osiris dargestellt, andererseits ist Grün auch die Farbe des Islam. Zwischen den Füßen des Pharao frisst ein Löwe in einer Blutlache einen der abgetrennten Köpfe.
Alaa Awad: Mural in der Mohammed Mahmoud Street in Kairo, © Suzee in the City
Eine Wandmalerei von Alaa Awad hat einen Buraq (البراق) zum Thema: ein geflügeltes, himmlisches Wesen mit dem Körper eines weißen Pferdes, Esels oder Maultiers, mit einem Pfauenschwanz und dem Kopf bzw. Oberkörper einer Frau mit langen dunklen Haaren. Dieses mythische Geschöpf soll den Propheten Mohammed von Mekka nach Jerusalem gebracht haben und ist oft Teil von Hadsch-Malereien.
Buraq in der islamischen Tradition, © unbekannt
Der Buraq gilt als Symbol für Freiheit und Frieden; er bewegt sich zwischen zwei Welten, ähnlich wie das postrevolutionäre Ägypten, das seinen Weg noch nicht gefunden hat. In Alaas Version hat der Leib des Buraq eine grüne Farbe und symbolisiert damit erneut den Islam. Seine drei Vorderbeine verleihen ihm zwar eine größere Schnelligkeit, doch mit dem Blick zurück scheint er hin- und hergerissen zu sein zwischen Rückzug, Flucht und Kampfbereitschaft.
Alaa Awad: Mural in der Mohammed Mahmoud Street in Kairo, © Mona Abaza
Der Buraq steht mitten in einem Schlachtfeld. Um ihn herum fliegen die Körper von Kriegern und Reitern kopfüber durcheinander. Die schwarzen Panther dazwischen, im Alten Ägypten heilige Tiere, sollen die Revolution schützen. Das Rad, das einer der Panther festhält, symbolisiert ein Gefängnis mit dem Bild eines zu Unrecht Inhaftierten.
Alaa Awad: Mural in der Mohammed Mahmoud Street in Kairo, © Mona Abaza
Was bleibt
Ägyptens Street Art und ihre Künstler sind berühmt geworden. Zwischenzeitlich gibt es Führungen entlang der Mauern am Tahrir-Platz in Kairo mit Erklärungen der Symbolik der aktuellen Wandbilder. Die Künstler werden zu Symposien, Ausstellungen und Vorträgen eingeladen. Alaa Awad hält inzwischen auch an der AUC Vorlesungen. Wie andere Künstler verkauft er seine Bilder über Galerien. Nach dem Ramesseum-Motiv schuf er Acryl- und Ölgemälde in unterschiedlichen Formaten. Auch der Apis-Stier, der altägyptische Stier der Wiedergeburt, ist zu haben, ebenso wie zwei Gemälde, die den Titel Freiheit tragen - so bleibt doch ein Hauch von Ewigkeit!
Alaa Awad: Women of Egypt!, II, 2011, Acrylic on Paper, 40 x 60cm, © ArtTalksEgypt
Alaa Awad: Women of Egypt! III, 2011, Acrylic on Paper, 40 x 60cm, © ArtTalksEgypt
Alaa Awad: Women of Egypt, Rise! 2012, Oil on Canvas, 140 x 200cm, © ArtTalksEgypt
Alaa Awad: Apis, 2011, Acrylic & Crayon on Paper, 30 x 40cm, © ArtTalksEgypt
Alaa Awad: Apis - Life & Death, 2012, Acrylic on Paper, 40 x 50cm, © ArtTalksEgypt
Alaa Awad: Freedom I, 2011, Acrylic on Paper, 40 x 60cm, © ArtTalksEgypt
Alaa Awad: Freedom II, 2011, Acrylic on Paper, 40 x 60cm, © ArtTalksEgypt
Quellen
Videos
Mona Abaza, ägyptische Soziologie-Professorin an der AUC, führte ein Interview mit Alaa Awad. Der Film von Rudolf
Thome trägt den Titel "The Art of Narrating the Egyptian Revolution: An Interview with Alaa Awad - Alaa Awad explains his Graffiti to Mona Abaza" und ist (leider nur in Arabisch ohne Untertitel) auf dem Videoportal VIMEO zu finden. Er ist dennoch sehenswert, da Alaas inzwischen zerstörte Murals ausführlich dokumentiert sind.
Mai 2012, ca. 33 Minuten
Soraya Morayef, bekannt durch ihren Blog "Suzee in the City" erhielt vom Museum of Contemporary Art in Los Angeles den Auftrag, ein Video für MOCAtv, den YouTube-Channel des Museums zu drehen. Es heißt: "Global Street Art Episode 1 - Egypt - Cairo SprayCan Rebels - Art in the Streets". In Arabisch mit englischen Untertiteln, März 2013, ca. 4 Minuten
Bücher
Mia Gröndahl: [Anzeige] Revolution Graffiti - Street Art of the New Egypt, 2013
Wall Talk: Graffiti of the Egyptian Revolution, 2012, 677 Seiten (als pdf-Datei kostenlos über Scribd erhältlich)
Web (kleine Auswahl, die neuesten Artikel zuerst)
Das Web ist ebenso sehr eine Momentaufnahme wie die Murals - daher sind womöglich einige der genannten Quellen nach einer Weile nicht mehr aufzufinden.
Suzee in the City - Blog von Soraya Morayef
Hans Mauritz: Die Kunst geht auf die Straße, 2013 (noch nicht veröffentlicht)
Alastair Sooke: Egypt’s powerful street art packs a punch, BBC Culture 09.05.13
Don Karl: Demonstration mit Sprühdose - Die Farben der Revolution, SRF, 13.01.13
Mona Sarkis: Wenn Wände schreien, NZZ, 20.12.12
Katharina Pfannkuch: Die Wand gehört dem Widerstand, Spiegel online, 24.09.12
Erasing history: Egyptians bristle after graffiti murals painted over, Associated Press auf NBC News, 20.09.12
Mona Abaza: The Buraqs of "Tahrir", Jadaliyya, 27.05.12 - und etliche weitere Artikel von Mona Abaza auf derselben Seite
Ebony Coletu: Visualizing Revolution - The Politics of Paint in Tahrir, Jadaliyya, 18.04.12
Kate Durham: Tomb of Tahrir, Egypt Today, 09.04.12 (nicht mehr im Netz)
Maintaining Artistic Murals on Mohamed Mahmoud Street, AUCToday, Spring 2012, p. 4
Clare Davies: Alaa Awad, Artforum, 27.02.12
TV-Dokumentationen
Ägypten - Die Künstler des Aufstands, Weltspiegel, 03.02.13 in der ARD-Mediathek, ca. 6 Minuten
Tahrir - Der Platz der Befreiung. Ein Film von Dietmar Ossenberg, 2013, auf Youtube, ca. 43 Minuten
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