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Leben in Luxor Autorenforum: Ägypten verstehen - ein etwas anderer Sprachkurs, Teil 2: شيخ scheich - alt, ehrwürdig

von Hans Mauritz (Februar 2014). Illustriert von Claudia Ali

 

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Das Wort شيخ „scheich“ gehört zu einem Verb, das „alt werden“ bedeutet. „Scheich“ ist also die Anrede, mit denen man alten Männern Respekt bezeugt, weil man die Erfahrung, das Wissen und die Weisheit schätzt, die sie im Lauf ihres Lebens angesammelt haben. Diese Hochachtung erklärt auch die Autorität, die man ihnen im Leben der Stammes- und Dorfgemeinschaft zuerkennt. Zu „scheich“ gehören die Begriffe „al-scheichûcha“, das „hohes Alter“, und „scheichûchi“, das „greisenhaft, senil“ meint. Der Titel „Scheich“ bedeutet also meist weit mehr als die Zahl der gelebten Jahre. Man verleiht ihn Männern, „die im geistlichen, weltlichen und sozialen Leben irgendwelche Bedeutung haben“ (Hans Wehr: Arabisches Wörterbuch).

Die meisten Scheichs haben eine Aufgabe, die mit der Religion zu tun hat: sie sind Imame, d.h. Vorbeter und Prediger in einer Moschee, Islamgelehrte, Koranrezitatoren oder Anführer und Vorsänger in einem Sufi-Orden. „شيخ الأزهر“ „scheich al-azhar" heisst der höchste Würdenträger von al-Azhar, der obersten Instanz des sunnitischen Islam, „scheich al-islâm“ der Grossmufti von Ägypten. Im Dorf aber wird man auch mit „scheich“ angeredet, wenn man durch gute Taten, weise Reden und ein respektgebietendes Verhalten auffällt und/oder über geheimes Wissen und „Zauber“ verfügt, mit dem man Kranke heilen kann.

Scheich al-Azhar Ahmed Al-Tayyeb (Bild: Aude-May Cochand, 2011)
Scheich al-Azhar Ahmed Al-Tayyeb, © Aude-May Cochand

„Scheicha“ nennt man eine Greisin, die Anführerin einer Zâr-Truppe oder eine Frau, die Amulette anfertigt, die Zukunft voraussagt, magische Fähigkeiten besitzt oder mit den Mitteln der traditionellen Medizin arbeitet.

Eine gewisse ironische Distanzierung steckt im Ausdruck „ya scheich“, „ya scheicha“, der die ungläubige Überraschung zum Ausdruck bringt, wenn einem etwas Unerwartetes erzählt wird. Ein ähnlicher Unterton steckt in Ausdrücken wie كل شيخ وله طر „kulli scheich luh tarîqa“, „jeder Scheich hat seinen eigenen Orden“.

In der Ereignissen der Revolution vom Januar 2011 und in den Jahren danach haben es manche Scheichs zu großer und manchmal auch fragwürdiger Berühmtheit gebracht. Sie sind zu Medienstars geworden und haben mit ihren Auftritten auf dem Tahrîr, auf dem Platz vor der Moschee „Rabea al-Adawiya“ oder mit ihren Predigten in den religiösen TV-Kanälen unerhörten Einfluss auf viele Ägypter gewonnen. Bei anderen ihrer Landsleute aber stossen sie zunehmend auf Ablehnung, denn man wirft ihnen vor, die Religion als Vorwand zu benutzen und Religion und Politik zu vermengen.*

Der Fremde, der in Oberägypten lebt, hat mit Scheichs (der Plural von شيخ heisst شيوخ „schuyûch“) verschiedener Art zu tun. Wer ernste juristische Probleme, z.B. mit seinen Nachbarn, bekommt, kann aufgeboten werden, zu Scheich Mohammed Tayyeb nach Gurna zu kommen. Die Menschen auf der Westbank pflegen nämlich ihre Streitigkeiten weniger durch Polizei, Rechtsanwälte und Richter zu regeln als mit Hilfe der höchsten gesellschaftlich-religiösen Instanz der Gegend, der von allen anerkannten Scheich-Tayyeb-Familie, welche dieses Amt seit Generationen inne hat. Scheich Mohammed erscheint jeden Abend im grossen Saal bei seiner Moschee und empfängt die Menschen, die etwas von ihm erwarten. So werden Rechtshändel beigelegt und Versöhnungen besiegelt. Abend für Abend erscheinen auch Besucher, die ihm huldigen, und Hochzeitspaare, um ihm die Hand küssen und seinen Segen zu erbitten.

Andere Scheichs, auf die der Fremde trifft, sind Koranleser, die eingeladen werden bei Todesfällen, wenn man an den Jahrestag eines Verstorbenen erinnern will oder das Hochzeitsglück eines jungen Paares besiegeln will. Den Scheichs begegnet man auch, wenn man den aus der Ferne zu vernehmenden Stimmen der Derwische folgt und zu einer Zikr-Zeremonie gelangt. „Scheich“ nennt man den Hausherrn und Organisator der Zeremonie, mit „Scheich“ oder „Maulâna“ spricht man auch die Vorsänger an. Aufgabe des Scheichs ist es dabei vor allem, die tanzenden Derwische in seinen Armen aufzufangen, wenn sie in der Trance das Bewusstsein verlieren, sie mit sanften Worten zu beruhigen und in die Wirklichkeit zurückzuholen. Überraschend für uns Fremde ist, diese Scheichs im ganz alltäglichen Leben wiederzusehen: der eine hat einen kleinen Lebensmittelladen, der andere verkauft Zuckerrohrsaft an einem Getränkestand. Der Schwiegervater eines Bekannten, Verkehrspolizist von Beruf, hat nach der Pensionierung eine Koranschule eröffnet und wurde fortan Scheich genannt. Geistliches und Weltliches liegen nahe beieinander.

Mit einer „Scheicha“ hat man es als ausländischer Mann weniger zu tun. Die Frauen haben ihre eigenen Zâr-Zeremonien, die für Männer nicht zugänglich sind. Nur einmal habe ich als Dolmetscher eine Touristin begleitet, die von einer Scheicha gehört hatte, welche die Zukunft voraussagen kann. Diese Gabe, so hiess es, werde ihr von ihrem als Kind verstorbenen Sohn zuteil, mit dem sie in Kontakt stehe und der auf ihre Fragen antworte. Die Scheicha verhüllte ihr Gesicht mit einem Tuch und beantwortete nach einem Moment der Sammlung die Fragen meiner Begleiterin. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mich ihre übersinnlichen Fähigkeiten wenig überzeugten. Ich hatte den Eindruck, dass sie der Fremden nach dem Munde redete, d.h. die Antworten gab, welche diese hören wollte.

Frau und Kinder am Rand einer Zâr-Zeremonie, © unbekannt
Frau und Kinder am Rand einer Zâr-Zeremonie, © unbekannt

Noch eine letzte Art von „Scheich“ gilt es zu erwähnen. Geistig Behinderte werden so genannt, Menschen, die jeder kennt, weil sie auf der Strasse leben, von allen herzlich begrüsst, verköstigt und gekleidet werden. Solche „schuyûch“ werden sozusagen vom ganzen Dorf adoptiert, weil sie von Gott geliebt sind und der Umgang mit ihnen Segen bringt. Ich sehe mehrere von ihnen regelmässig, wenn sie im Café genüsslich die Wasserpfeife rauchen, die man ihnen gespendet hat, oder wenn sie sich im Kreis der Derwische rhythmisch hin- und herbewegen, wobei sie sich, noch mehr als ihre Kameraden, voll und ganz der Trance hingeben. Ich denke dann manchmal an ihre „Leidensgenossen“ in Europa, die mit Medikamenten ruhig gestellt, ausgegrenzt und weggesperrt werden.

* Vgl. Al-Ahrâm Hebdo, 12. bis 18.02.2014, S. 18f

 

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