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Leben in Luxor Autorenforum: Ägypten verstehen - ein etwas anderer Sprachkurs, Teil 3: Gemeinsam oder einsam? جمع gama' und وحش wahsch

von Hans Mauritz (Februar 2014). Illustriert von Claudia Ali

 

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Männer beim Gespräch auf einem Feld, © Claudia Ali
Männer beim Gespräch auf einem Feld, © Claudia Ali

Wenn von einem Stamm viele Wörter gebildet werden, welche die unterschiedlichsten Bedeutungen haben können, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Sache im Leben und Denken der Menschen eine zentrale Rolle spielt. Dies gilt auch für den Wortstamm جمع gama‘, den wir in Dutzenden von Verben und Substantiven wiederfinden, die alle ausdrücken, dass etwas „gemeinsam, zusammen, miteinander“ geschieht.

Das Grundverb bedeutet „sammeln, versammeln, zusammenfügen“, das davon abgeleitete اجتمع igtama‘ meint „zusammenkommen, zusammentreffen, beieinander sein, sich vereinigen“. Der Tag, an welchem man in der Moschee zusammenkommt, heisst الجمع al-guma‘, der Freitag. Der Ort, an dem man gemeinsam betet, ist الجامع al-gâma‘, die Moschee. Die weibliche Form zu diesem Wort meint den Ort, an dem Studenten zusammenkommen, um gemeinsam zu studieren: الجامعة al-gâma’a, die Universität.

Die Wortfamilie ist so gross, dass wir nicht alle Vokabeln einzeln aufführen wollen. Sie umfasst Bedeutungen wie: insgesamt, gänzlich, Gruppe, Gesellschaft, Zusammenkunft, Meeting, Gemeinschaft, Kollektiv, sozial, sozialistisch, soziologisch und vieles mehr. Zu diesem Wortstamm gehört auch الجمعية al-gama’iya, das „Kooperative, Gemeinschaftwerk“ heisst und auch ein Hilfwerk wie „Die Kleine Pyramide“ in Luxor-Westbank bezeichnet. Derselbe Begriff spielt auch im privaten Leben der Menschen eine Rolle: Freunde und Nachbarn tun sich zusammen, bilden eine „gama’iya“, d.h. jeder zahlt monatlich eine gewisse Summe ein, und das Geld, das so zusammenkommt, wird im Lauf der Jahre einem nach dem andern ausbezahlt, damit er sich etwas Wichtiges und Teures leisten kann.

Wir Fremden bemerken sehr rasch, dass zusammenzukommen, gemeinsam etwas zu tun für Ägypter sehr wichtig ist. Alleinsein dagegen, Einsamkeit ist ein Zustand, ein Gefühl, das eher unseren westlichen Lebensstil prägt, etwas, worunter wir leiden oder was wir als Philosophen und Romantiker auskosten. Wann ist ein Ägypter je allein? Auch während der Arbeit setzt sich bald einmal ein Nachbar oder Freund zu einem Händler in den Laden, leistet ihm Gesellschaft, manchmal stundenlang, und verwischt auf angenehme Weise die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Vor allem Frauen sind selten allein. Sie treffen sich bereits früh am Morgen, jede mit ihren Kindern, wärmen sich an der Sonne auf und beginnen dann ihre gemeinsame Arbeit: Sie kochen, backen Brot, erledigen die Wäsche, sieben Getreide. All diese Tätigkeiten sind begleitet von Schwatzen und Lachen. Da in Oberägypten die Familienclans meist am selben Ort leben, verbringen die Frauen die meiste Zeit mit ihren Schwägerinnen, denn die Männer sind selten daheim. Glücklich ist eine Frau, so scheint es, wenn sie sich mit ihren Schwägerinnen gut versteht. Auch am Abend hocken Frauen und Kinder vor dem Fernseher im Haus, während die Männer das Café bevorzugen und das Fussballmatch zusammen mit ihren Kollegen anschauen. Wenn ich zum Arzt gehe, staune ich, wie unglaublich voll das Wartezimmer ist und wie viele Leute sich auf der Treppe oder draussen vor der Tür drängen. Wie kann der Arzt mit all diesen Patienten fertig werden? Zum Glück sind die meisten gar keine Patienten, sondern Familienmitglieder und Nachbarn, die einen Kranken begleiten. Der einzige, der allein zum Arzt gekommen ist, bin ich, der Fremde.

Frauen verarbeiten gemeinam Palmzweige, © Claudia Ali
Frauen verarbeiten gemeinam Palmzweige, © Claudia Ali

Die Sa’idis (Oberägypter) staunen, wenn wir Ausländer von unserem Leben daheim erzählen. Was, jedes Familienmitglied bei uns besitzt ein eigenes Bett, ein eigenes Zimmer? Söhne und Töchter ziehen aus, um allein ihr Leben zu gestalten? Und weil wir keine Zeit für unsere Alten haben, schieben wir sie ab in Heime, wo sie von Fremden „versorgt“ werden, die wir aus Polen oder aus China kommen lassen? Was, in Europa kommt es vor, dass Menschen einsam sterben und ihre Leiche erst nach Tagen gefunden wird? Und wenn uns jemand besuchen will, muss er sich Tage vorher anmelden? Hier im Sa’id hat jeder ständig Zeit für jeden, Zeit ist der einzige Reichtum, den auch der Ärmste besitzt. Und niemand wird allein gelassen, schon gar nicht die Alten, die Kranken und die Sterbenden.

Weil Ägypter nicht gern allein sind, sagen mir meine Freunde, wenn sie mich eine Zeitlang nicht gesehen haben: أنت وحشتني enta wehashtni, „du hast mir so gefehlt“, und ich antworte „w-enta aktar“, „und du noch viel mehr“. Wann habe ich so etwas in Europa zum letzten Mal gesagt? Hier höre und sage ich es fast jeden Tag. Das Verb gehört zum selben Stamm wie das Adjektiv وحش wihish, das im Ägyptischen „hässlich, schlecht, widerlich“ heisst. Das hocharabische وحش „wahsh“ bedeutet als Adjektiv „verlassen, öde, einsam, wild“ und als Substantiv „wildes Tier, Ungeheuer“. Die Variante وحشي „wahshi“ fügt diesen Bedeutungen noch „roh, unzivilisiert, barbarisch, brutal, grausam“ hinzu. Wenn meine Freunde mir „wehashtni“ sagen, drücken sie nicht nur aus, dass ich sie durch meine Abwesenheit traurig und einsam gemacht habe, sondern - wenn ich alle Bedeutungsnuancen mitklingen lasse - dass sie ohne mich wie ein wildes Tier, wie ein grausamer Barbar in einer öden, wüsten Gegend gelebt haben. Wann hätte man mir in Europa je ein solches Kompliment gemacht?

 

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